Die traurigen Seiten des Fortschritts

Wir haben eine grundsätzlich traurige Theorie:

Vegetarier zu sein, bedeutete offensichtlich nicht, dass die Menschen ethisch unbedingt „wach“ für die Rechte von Nichtmenschen waren, daher entwickelte sich der Veganismus aus dem Vegetarismus, mit dem ausdrücklichen Ziel, die Interessen von Nichtmenschen verstärkt zu adressieren und zu respektieren.

Wobei wir hinzufügen müssen, dass wir hier nicht über alle (vielleicht sogar individuelle) Formen gewaltfreier pflanzlicher (…) Lebensweisen sprechen können, die Menschen praktiziert haben, die aber nicht bekannt sind oder von der „vegetarischen Geschichte“ erfasst werden/wurden.

Auch die vegane Bewegung ist keine automatische Garantie dafür, dass Tierrechtsfragen fundamental genug, um der Problematik gerecht zu werden, behandelt werden. Wenn zum Beispiel die Frage der Ungerechtigkeit zweitrangig wird, während die Ebene des Faunazids (oder des Theriozids) auf den Ebenen des Massenmordes an Nichtmenschen, wie er in der Agrarwirtschaft stattfindet, eliminiert werden soll, würde das bedeuten, dass das Töten und die Gewalt in diesen Räumen nicht mehr stattfindet, aber dennoch würde eine allgemeine und ganz grundlegende Gerechtigkeit als politischer und ethischer Prozess und als gesellschaftliche Entwicklung von Seiten der menschlichen Gesellschaften dadurch noch nicht zwangsläufig in Kraft gesetzt: Tierliches Leben wird dann zu einem Problem im Sinne von Umweltschäden, die eigene Not und die Geschichte als ’nichtmenschliches Wesen/Gruppe‘, die Nichtmenschen erleben, wird aber weiterhin noch nicht ausreichend (wenn überhaupt) als fortwährender Kampf wahrgenommen … .

Das Gleiche gilt natürlich auch für Tierrechtsdefinitionen und -bewegungen selbst: Sogar Tierrechte – als menschliche Bewegung, als die Ideen, nicht die „Sache selbst“ – können bedeuten, dass die Theorie (jede beliebige) fehlerhaft oder unzureichend sein kann.

Es gibt einfach keine Garantie für ein perfektes, wasserdichtes Etikett, an dem wir uns ohne ständige Vorsicht, völlig zuverlässig orientieren können > es ist noch ein langer Weg, um einem menschlichen Verständnis für- und der Anerkennung von Rechten nichtmenschlicher Tiere ein solides Fundament zu schaffen und dieses zur Effektivität hin auszugestalten.

Nichtsdestotrotz scheint es klar und logisch davon auszugehen, dass dies ein Kampf und eine Suche innerhalb des menschlichen Gemeinschaftslebens und den zwischenmenschlichen Begegnungen seit dem Beginn menschlicher Existenz gewesen sein muss.

Dies vorausgeschickt und auf den Titel dieses Kommentars zurückkommend, müssen wir sagen, dass der undifferenzierte Enthusiasmus, der durch neue Wege in der Gesellschaft zur „Schaffung einer besseren Welt“ hervorgerufen wird …

a.) immer noch vor dem Hintergrund der dabei relevanten historischen und kulturellen Diskurse betrachtet sehen werden sollte

und

b.) dass die gegenwärtig vorherrschenden Einstellungen, die unseren Enthusiasmus begünstigen, in Bezug auf Tierrechte definitiv nicht das sind, was die „Geschichte des Vegetarismus“ und des Veganismus als garantierte und untrennbare, implizite Bestandteile ihrer Ansätze zusammenfassen und voraussetzen könnten.

Es ist an der Zeit, dass die Tierrechtsbewegung eigenständig und weitaus differenzierter arbeitet, als sie es gegenwärtig tut, und, die Tierrechtsbewegung sollte weitaus radikalere Ziele formulieren. Es ist auch an der Zeit, alle aufkommenden relevanten Perspektiven und Sichtweisen in direkter Weise zu kontextualisieren, damit Nebenwege nicht mehr zu Hauptausweichrouten werden.

Am bestehenden Schisma zwischen Umweltschutz und Tierrechten vor allem wird sich entscheiden, ob Tierrechte in absehbarer Zeit effektiv in der Gesellschaft verankert werden können, oder ob sie weiterhin sekundarisiert werden und als Vehikel des gesellschaftlichen Eigennutzes dienen sollen, im Sinne der technokratischen Agendas von Nachhaltigkeit, derer man sie potenziell unterordnen würde. Siehe in diesem Zusammenhang:

E-Reader: Gruppe Messel, Jahrgang 4, Nr. 3, Mai 2022: Tierrechte und Umweltschutz > https://d-nb.info/1257735012/34 > https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:101:1-2022051718052125425859

11.01.23

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