Die verschiedenen Lebensabschnitte unter Tierfreunden

Wenn ich mir einen anderen Tod für mich selbst wünsche, als den, den ich meinem geliebten nichtmenschlichem Freund zugestehe, ist das eine Sichtweise und Einstellung, die aus Tierrechtssicht problematisch ist. Es ist eine Haltung, die Auskunft über ein gestörtes Mensch-Tier-Verhältnis gibt.

Was für eine pervertierte Schein-Tierliebe … einen 17 Jahre alten Hund, der nicht schwerkrank ist, der lediglich unter den gleichen Alterserscheinungen leidet, die jedes Lebewesen beim Altwerden durchmacht, „einzuschläfern“. Zugleich auch noch den Hund jahrelang für das eigene Image zu benutzen auf Social Media, um seine „Tierliebe“ zu demonstrieren und dafür Beifall zu ernten, bis einschließlich nach der Ankündigung, dass der Hund nun tot sei und man selbst furchtbar traurig wäre. (Eigener Gedanke: wie würde man mit mir umgehen wollen, wenn ich im hohen Alter, schwerkrank oder in einer Palliativphase wäre?)

Die Diskussion über das „Einschläfern“ von Tieren wird nicht leichter durch die Haltung, die Menschen bezüglich ihres eigenen Sterbens haben, und den Wunsch vieler, entweder sich selbst oder Angehörige auch durch „aktive Sterbehilfe“ in Zukunft leichter von der „Qual des Sterbens“ erlösen zu können.

Menschen können solche Dinge für sich selbst untereinander aushandeln. Hoffentlich. Ich bin gegen die gesetzlich erlaubte aktive Sterbehilfe beim Menschen muss ich dem beifügen. Aber im Bezug auf Tiere finde ich erschreckend, dass das Thema Palliativversorgung für Tiere bei so wenig oder kaum Tierfreunden auf deren geistigen Bildschirm aufzutauchen scheint. Bei Tieren möchte man die schwere Phase nicht durchmachen miteinander, einem fehlt die Zeit, es fehlt die Unterstützung, usw. Und vor allem geht unsere Gesellschaft, so wie auch der wohl prominenteste Tierethik-Experte Peter Singer [1], davon aus, dass Tiere weniger verlieren durch ihren Tod als Menschen.

Das ganze Kapitel Tod und Sterben wird vom Ansatz her bei Tieren gänzlich anders bewerten. Logischerweise sehe ich aber auch bei Tierrechtlern, dass genau eine gegenteilige Auffassung über Tiere und deren wünschenswert friedvolles und integres Sterben zu finden ist. Nicht wenige Tierrechtler haben laut ihrer eigenen Aussage durch das Erlebnis des Zusammenlebens bis zum Tod ihres Tierfreundes, überhaupt die Entscheidung getroffen aktive Tierrechtler zu werden. Ein prominentes Beispiel dessen ist zum Beispiel der Tierrechtsphilosoph Tom Regan. [2]

Ich habe mit der Tierrechtsphilosophin Syl Ko einen intensiven schriftlichen Dialog über die Problematik dessen geführt, dass sowohl Tierärzte als auch die Gesellschaft immer wieder dazu tendiert einem anzuraten den tierlichen Freund „einschläfern“ zu lassen, wenn irgendwelche gesundheitlichen Probleme vor allem in Kombination mit Alter auftreten. Syl und ich teilten wie Ansicht, dass auf gesellschaftlicher Ebene dringend Veränderungen in Hinsicht auf diese Problematik stattfinden müssen [3].

Der Philosoph und Psychologe Steven J. Bartlett erwähnt als seine Motivation zum Verfassen seines Grundlagentextes über Widerstände denen sich Tierrechtler gegenüber gestellt sehen im Rahmen von Tier und Recht, den er im Jahr 2002 in der Zeitschrift Animal Law Review veröffentlichte [4]:

„Dieser Artikel ist Heidi gewidmet, die, obgleich ein Mitglied einer anderen Spezies, eine liebenswerte und teure Person in ihrem eigenen Recht war. Ihr früher Tod infolge veterinärmedizinischer Nachlässigkeit, motivierte das Verfassen dieses Artikels.“

Bartlett adressiert in seiner Analyse das grundsätzliche rechtliche Standing von Tieren, bei dem die Basis zur Anerkennung der Mensch-Tier-Beziehung in Zukunft dazu führen sollte, dass zu der Erteilung der eigenen Rechte der Tiere, ein Fundament in unserem Rechtssystem geschaffen werden muss, bei dem es nicht reicht dem juristisch Rechnung zu tragen, was diese Tiere „uns“ Menschen bedeuten. Denn es ist zwar so, dass Tiere, insbesondere tierliche Freunde, Menschen oftmals essentiell sogar mehr bedeuten können als andere Menschen, aber dass dies, so Bartlett, noch lange keine ausreichende Grundlage bietet für die Anerkennung ihrer ureigenen Rechte. In diesem Zusammenhang erklärt Bartlett die Krux des Homozentrismus als objektivistischen Fehlschluss [5].

In Falle des „Einschläferns“ stoßen wir genau auf das Problem, dass Menschen meinen, dass bei aller Liebe ihr vermeintlich logisch begründetes ethisch segregatives Verständnis vom tierlichen Tod völlig legitim sei. Insbesondere, wenn dies ständig von ihrem Umfeld auch noch als richtiger Denkvorgang Bestätigung findet.

[1] Singer äußert dies in verschiedenen seiner Texte, so etwa in Practical Ethics (1979), Animal Liberation (1975) und hier: “So normally, the death of a human being is a far greater loss to the human than the death of a mouse is to the mouse — for the human, it thwarts plans for the distant future, and it does not do that for the mouse.” https://petersinger.info/faq [Zugriff 16.05.2023]

[2] Eine Übersetzung eines gekürzten Auszugs aus: Tom Regan, The case for animal rights und ein Interview der Advocates for Animals mit Tom Regan, in: Tierautonomie, Jahrgang 5, Nr. 1, 2018, https://d-nb.info/1210908557/34 , https://simorgh.de/about/auszug-aus-tom-regan-the-case-for-animal-rights/ [Zugriff 16.05.2023]

[3] Private schriftliche Korrespondenz mit Syl Ko. Syl Ko ist vor allem bekannt durch die Trennung einer subjektivistischen Mensch-Tier-Beziehung im Gegensatz zur objektivistischen Perspektive in der sich ein Mensch in Bezug zu seiner Mitwelt positionieren kann, siehe: Syl Ko: Eine Re-Zentrierung des Menschen, in: Tierautonomie. Jahrgang 8, Nr. 1, 2021, https://d-nb.info/1234807912/34 ; https://simorgh.de/about/syl-ko-und-lindgren-johnson-rezentrierung-des-menschen/ [Zugriff 16.05.2023]

[3] Steven J. Bartlett: Wurzeln menschlichen Widerstands gegen Tierrechte: Psychologische und konzeptuelle Blockaden, in: Tierautonomie, Jg. 5, Heft 1, 2018, Seite 11, https://d-nb.info/1231210915/34 , https://farangis.de/reader/e-reader_gruppe_messel_2021_4.pdf [Zugriff 16.05.2023]

[5] ebd., Seite 34, https://d-nb.info/1231210915/34 ,  https://farangis.de/reader/e-reader_gruppe_messel_2021_4.pdf [Zugriff 16.05.2023]

 

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