Ich lese dieses Pamphlet hier vor: https://simorgh.de/talks_1/pamphlet_ehrfurcht_1ascut.mp3

Die Menschen halten das Universum für im Unendlichen unerklärlich, während sie glauben, Tiere erklären zu können, nämlich als so etwas, wie die niederen und niedrigsten Bürger*innen innerhalb der Welt der Schemata, die unseren Strategemen gerade jeweils entsprechen mögen:

Bei aller Ehrfurcht und allem menschlichen Wissen, das sich in der Erkenntnis über unsere praktisch sich ergebende faktische Begrenztheit [1], in Bezug auf die Erde und das Universum ausdrückt, treffen wir dennoch willentlich die gänzlich bewusste und zugleich habitualisierte Entscheidung, auf der rituellen sowie der institutionalisierten Ebene, das wir selbst und/oder andere, denen wir nicht widersprechen wollen, dazu berechtigt sind, Nichtmenschen (Tieren) den Status von niederen Erdenbürgern auf einer klar objektivierenden Weise zuzuweisen.

Als ob wir der maßgebliche Entscheidungsträger wären, nehmen wir unser Menschsein selektiv aus, durch die Fakten-schaffenden-Mittel, die uns durch Erniedrigung, Verletzung, Ermordung, Lächerlichmachung … zur Verfügung stehen; während wir den Lebensraum der nichtmenschlichen Tiere einer ähnlich dominanten Herrschaftsweise unterwerfen – damit den Eindruck erweckend, dass das Ignorieren des Umwelt-Wissens und des Umwelt-Sinns des Animal Sapiens konsequenzlos von der Hand zu weisen sei. Und hier sieht sich schließlich unser Sinn für Nützlichkeit und Ordnung einer noch weiter entfernt erscheinenden Realität, von noch anderem Leben, und noch anderen „Formen der Existenz“, gegenübergestellt.

Nach außen hin funktionieren solche Prätentionen in ihrer besonderen Art und Weise, aber nach innen, im Bereich der freien Gedanken, funktioniert diese Willkür weniger: Gewissen, Wissen, Freiheit zahlen allesamt ihren Tribut für die arbiträre Trennung, die Menschen gemeinschaftlich und auf der kontraktualistischen Ebene an der Grenze ‚Wissen um die Welt‘ und ‚Wissen um die Tierheit‘ ziehen.

Naturwissenschaften spiegeln nur die Fragen, die Menschen über sie konstruieren. Das weiß man, und theoretisch erkennt man derart Begrenzungen an. Die typischen, auf zoologischen biologistischen Annahmen begründeten Fragen, die wir über nichtmenschliche Tiere stellen, setzen bereits voraus, dass Tiere nicht Animales Sapientes oder „Animal Sapiens“ für uns sind, sondern im Sinne unserer Erklärungskategorien betrachtet erklärbare Entitäten. Wir treffen eine final begrenzte Festlegung über das Tiersein, die von uns nicht erfordert, und im Prinzip überflüssig macht, grundlegende Kategorien von deren Grundsatz her und unter Hinzuziehung einer weitreichenderen Perspektivität zu hinterfragen, als der, sie als auf unserer angedachten „Evolutionsleiter“ weiter unten stehende Seinsformen zu betrachten.

[1] Interessant in dem Zusammengang, die künstlerisch-kompositorische Aufarbeitung von Bettina Skrzypczak in ihrer Idee hinter ihrer Komposition ‚anomalia Lunae media‘ https://bettina-skrzypczak.com/comments/anomalia-td.html . Der logische Schluss Eulers über naturwissenschaftliche Begrenztheit, auf den sich Skrzypczak bezieht, erinnert auch an die Diskussion ‚Natur und Geschichte‘ bei Hannah Arendt, in komprimierterer Form in http://gellhardt.de/arendt_bluecher/2_Natur_u_Geschichte.pdf und in langen Gedankensträngen in ihrem Werk Vita Activa. [Zugriff 25.05.23]

E-Reader: Gruppe Messel; ISSN 2700-6905
Jahrgang 5, 2023, Heft 8
Pamphlete: Ehrfurcht.
Edition Farangis, Usingen / Ts.
Kunst: Farangis G. Yegane; Text: Gita Yegane Arani und Lothar Yegane Arani.

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