Rev. 28.08.25
Antijagd als Aufhebung zivilisatorischer Paradoxie / Anti-hunting as the revocation of a civilizational paradox
—
Die wesentliche Kritikpunkte an der Jagd, die wir hier besprechen lauten:
- Vielfalt statt Einheit: Die Menschheit war nie homogen – es gab Ackerbauende, Sammler:innen, frühe Vegetarier:innen, Tabus gegen das Töten.
- Ambivalenz zum Töten: Schon früh wurden Tiere nicht selbstverständlich getötet, sondern mit Ritualen, Schuldabwehr, Ehrfurcht → Zeichen, dass Töten immer schon problematisch war.
- Zivilisatorische Leitbilder: Von vedischen Strömungen über Pythagoras bis hin zu asketischen Bewegungen → vegetarische/protovegane Ideen sind uralt, nicht „Luxus der Moderne“.
- Zugespitzt: „Wenn es immer mehrere Wege gab – warum soll dann ausgerechnet die blutigste Tradition die ‚wahre‘ sein?“
—
Es ist schon interessant, dass gerade Deutschland das Jagdland schlechthin ist. Dass ein hoher moralischer Anspruch an sich selbst, viele dazu vordergründig und natürlich in kognitiver Dissonanz dazu verleitet, sich als Homo Sapiens, der doch Jäger und Sammler von Urzeiten an ist, zu beweisen: „ich töte Tiere selbst, also kann ich mit ihnen auch machen was ich möchte“. Die Jagd als Statement zur Tierrechtsfrage.
Einer enorm hohen und noch anwachsenden Zahl von Jägern und Jägerinnen zu sagen, dass sie grundsätzlich nicht jagen sollen, ist eine Position, die lange groß im Raum steht. Dazu müssen aber parallel öffentlichkeitswirksame direkte Aktionen dauerhaft wie in England laufen … und die konfrontative Auseinandersetzung muss mehr enthalten als entpersönlichte, an der Oberfläche festgefahrene Allgemeinplätze auszutauschen, die bei der Gegenseite so oder so nicht greifen.
Man windet sich darum, in gewissen Punkten Rassismus mit Speziesismus zu vergleichen, aber wir gehen davon aus, dass Speziesismus eine ungerechtfertigte Ideologie ist – und keine grundsätzliche menschliche Normalität – die auf der Annahme basiert, dass nur menschliches Denken und menschliche Freiheit relevant seien, und dass die Erklärungsmodelle, die Homo Sapiens der Tierheit auferzwungen hat (und deren menschlichen Freunden), dazu dienen sollen, einen Freifahrtschein für sich in Anspruch nehmen zu können, um einen dauerhaft unumstößlichen moralisch rechtfreien Raum zu schaffen, in dem Tiere, egal wie, aber einfach in ihrer ganzen Existenz objektifizierbar sind.
Wir sehen Tierobjektifizierung und Speziesismus in dem Sinne als einen epistemischen Konflikt besonderer Art, der aber in Punkten vergleichbar ist mit anderen Formen Macht- und Unterdrückung ausübender Negation unliebsamer und unverstandener Epistemiken. Wir negieren folglich das Tierdenken nicht und in diesem Punkt – der Negation einer „Nicht-Instinkthaftigkeit“ die den Speziesismus als Unterdrückungsform überhaupt kennzeichnet, liegt natürlich auch ein einmaliges Merkmal in diesem. Die Frage des Herrschaftsanspruchs seitens der Täter- und Unterdrückermentalität sehen wir aber ähnlich gelagert, wie in alle Fällen entmachtender Strukturen.
Tierobjektifizierung findet ganz im Sinne des biblischen Dominum Terrae statt, und später parallel dazu, vor allem in der Verlängerung dieser Tradition, als Auffassung darüber, dass Tiere ‚in sich selbst‘ philosophisch existentiell für den Menschen ja keine unmittelbare Rolle auf irgendeiner gleichen ethischen Augenhöhe jemals spielen könnten.
Wenn ich also als Tierrechtler Tiere auf gleicher Augenhöhe betrachte – und das ist eben die Frage, wie konsequent der eine oder der andere Tierrechtler überhaupt ist in seiner Beurteilung der Fauna oder ob er einfach bloß ein Bad Apple unter den Tierschützern ist – dann kann ich im Sinne solch einer Analogie fragen:
Wenn ich gegen ein Übel bin, es können auch Nazis sein, und dann aber persönlich keine wirkliche Auseinandersetzung eingehe, dann wird der eine Standpunkt neben dem andern einfach weiterhin genauso wie gehabt parallel weiter existieren.
Es braucht die soziale Auseinandersetzung über Themen, und Tiere gehören in eben diesen Raum hinein, als soziale lebende Wesen, die interagieren, deren Interesse am Leben handfester konkretisierbar ist und auch für den Argumentierenden sein muss, als sich darauf zu berufen, als dass dies und jenes ja nicht artgerecht ist und daher grausam. Denn genau dann lande ich wieder auf der Verhandlungsebene, die bereits ausschließt, dass wir hier jemals vernünftig über Rechte reden können.
Was kann man also machen um auf sozialer Interaktionsebene den Menschen argumentativ zu begegnen, die sich auf ihr Jäger- und Sammlertum berufen und damit auch jetzt und auch heute proaktiv zur Jagd als bestes Mittel zum Zwecke stehen?
Tiefenmoralische Fragen stellen sich, bei denen man schauen sollte, wie die Verbände und die Gesellschaft argumentieren:
- Das „Urmensch“-Argument adressieren, „Der Mensch war ja seit eh und je so.“
- Jagd als Statusritual und „Notwendigkeit“ als Entscheidung zum Töten
- Jagd sei ein Überlebensfaktor gewesen, der – so der allgemeine Kanon – zivilisationstiftend [Stichwort: zivilisatorisches Paradox] gewesen sei beim Menschen.
- Jagd wird oftmals als ein kulturträchtiges Prestigezeichen aufgefasst und als Zeichen von Traditionsbewusstsein – das Hinausgehen zum Töten wird so ein Ritual, das Zugehörigkeit zu dieser Grundauffassung signalisiert.
- Der jagende „Naturmensch“ ist die logische Vorstufe zum „eingeweihten bürgerlichen Klub- und Machtmenschen“, den die Geschichte einer eigens erfahrenen „Berufung zum Jagen als kulturstiftend“ hervorgebracht hat.
→ Die moralische Selbsterhöhung (ich handle archaisch, natürlich, ehrlich) ist Inszenierung, die andere Positionen gänzlich unsichtbar machen will, insbesondere auch retrospektiv (nach dem Motto „alle Menschen wollten das so, das war natürlich, das ist Menschheitsgeschichte“). - Jagd trägt auch die symbolische Funktion eines Statusrituals des „vermeintlich ethisch handelnden“ (Stichwort „respektvolles Töten“ für die „menschliche Notwendigkeit“) menschlicher ursprünglicher Identität überhaupt. Daraus können alle weiteren „notwendigen“ speziesistischen Tötungen abgeleitet werden. Böses gegenüber Tieren (Zerstörung) erhält somit einen Sonderstatus.
Weitere Aspekte, die zu adressieren wären:
Hierarchiegefälle und tiefenpsychologische Norm
Sich an diese Aspekte anschließend ist tatsächlich die berechtigte Mutmaßung, dass speziesistisch denkende Menschen, das Tiere-Töten selbst als eine psychische Notwendigkeit sehen, sowie diejenigen, die das Töten sanktionieren, den Akt als eine unbedingte Notwendigkeit betrachten, die sich aus dem Hierarchiegefälle zwischen Homo Sapiens und alles Nicht-Sapiens-Spezies ergeben muss.
Im Punkt Urmensch und „Jagd als Notwendigkeit“ ist zu konstatieren, dass > Jagd und Einverleibung, wie Canetti es in Masse und Macht beschreibt, tiefenpsychologisch eine besondere Form eines Akts des Machtvollzugs darstellen: Dabei ist die sinnliche Unausweichlichkeit und Rationalisierung ein das Gesamtkörperlich erfassender nekrophiler Moment, der in die Psychologie des Gefühls des Wohls und des Wohlgeschmacks des Menschen an erlegten Tierleibern übergehen könnte.
Folgend beschreibt Canetti in Masse und Macht [Hamburg, 1960]:
„[…] Als Verfolger haben die Menschen gelebt, und als Verfolger leben sie auf ihre Weise immer weiter. Sie suchen nach fremdem Fleische, und sie schneiden hinein, und sie nähren sich von der Qual der schwachen Geschöpfe. In ihrem Auge spiegelt sich das brechende Auge des Opfers, und der letzte Schrei, an dem sie sich ergötzen, gräbt sich unauslöschlich in ihre Seele. Vielleicht ahnen die meisten von ihnen nicht, daß sie mit ihrem Leibe auch das Dunkel in sich nähren.“ S. 164
„[…] Aber auch abgesehen vom Machthaber, der so viel in seiner Hand zu konzentrieren versteht, gehört die Beziehung jedes Menschen zum eigenen Kot in die Sphäre der Macht. Nichts hat so sehr zu einem gehört, als was zu Kot geworden ist. Der konstante Druck, unter dem die Speise gewordene Beute steht, während der ganzen langen Weile, die sie durch den Leib wandert, ihre Auflösung und die innige Verbindung, die sie mit dem Verdauenden eingeht, das vollkommene und endgültige Verschwinden erst aller Funktionen, dann aller Formen, die einmal ihre eigene Existenz ausgemacht haben, die Angleichung oder Assimilation an das, was vom Verdauenden als Leib bereits vorhanden ist – all das läßt sich sehr wohl als der zentralste, wenn auch verborgenste Vorgang der Macht sehen. Er ist so selbstverständlich, selbsttätig und jenseits alles Bewußten, daß man seine Bedeutung unterschätzt. Man neigt dazu, nur die tausendfachen Späße der Macht zu sehen, die sich oberirdisch abspielen; aber sie sind ihr kleinster Teil. Darunter wird tagaus, tagein verdaut und weiterverdaut. Etwas Fremdes wird ergriffen, zerkleinert, einverleibt und einem selber von innen her angeglichen; durch diesen Vorgang allein lebt man. Setzt er aus, so ist man selber bald am Ende; soviel davon weiß man immer. Aber es ist klar, daß alle Phasen dieses Vorgangs, nicht nur die äußerlichen und halbbewußten, sich auch im Seelischen abzeichnen müssen. Ihre Entsprechungen hier zu finden, ist nicht ganz leicht; manche wichtigen Spuren werden sich im Lauf dieser Untersuchung wie von selber zur Verfolgung anbieten. Besonders aufschlußreich sind hier, wie sich zeigen wird, die Krankheitserscheinungen der Melancholie. Der Kot, der von allem übrigbleibt, ist mit unserer ganzen Blutschuld beladen. An ihm läßt sich erkennen, was wir gemordet haben. Er ist die zusammengepreßte Summe sämtlicher Indizien gegen uns. Als unsere tägliche, fortgesetzte, als unsere nie unterbrochene Sünde stinkt und schreit er zum Himmel. Es ist auffallend, wie man sich mit ihm isoliert. In eigenen, nur dazu dienenden Räumen entledigt man sich seiner; der privateste Augenblick ist jener der Absonderung; wirklich allein ist man nur mit seinem Kot. Es ist klar, daß man sich seiner schämt. Er ist das uralte Siegel jenes Machtprozesses der Verdauung, der sich im Verborgenen abspielt und ohne dieses Siegel verborgen bliebe.“ S. 239-240
Diese Form von so etwas wie einer gesamtkörperlich erlebten Interspezies-Nekrophilie ist aber auch geistiger Natur:
- Sie setzt das Töten als Wert an sich.
- Sie ästhetisiert und ritualisiert den Tod von Nichtmenschen, um ihn psychisch erträglich oder gar begehrenswert zu machen.
- Sie ist eine Handlung, die als initialer Akt ultimativer Gewaltverherrlichung operiert, unabhängig von Begründungen.
Das Grundlose nekrophiler Leidenschaft erklärt auch, warum viele Tiere-Jagende von einer „inneren Notwendigkeit“ sprechen oder diese vor sich haltungstechnisch her tragen: Sie rationalisieren die Nekrophilie als das Töten-Wollen-zur-Habhaftmachung [Kontrolle über Leben und Tod], als eine sinnstiftende anthropologische Konstante.
An dieser Stelle muss der Unterschied zumindest umrissen werden zwischen dem Handeln des zoophagen tierlichen Prädators und dem Töten von Tieren bei Menschen:
Der Mensch setzt sich, ganz kurz gesagt, in der Richtung seiner Entwicklungswünsche und seinem „evolutionieren“ selbst nicht der Angreifbarkeit und dem Zyklus von „Fressen und gefressen werden“ aus, sondern nimmt seine Sonderstellung ein, indem er aus den Gesamtkontext tierlicher Logiken überhaupt rausfällt. Er übernimmt keine wirksame Rolle im Öko- und Tiersoziologischen Kontext und nimmt als biologischer Endkonsument zudem noch seine Herrschaftsrolle ein. In seiner Sonderposition muss er sich seinen eigenen Maßstäben über „Verletzung“ und „Schutz“ stellen. Er kann den Rückgriff auf den Vergleich mit tierlichem Handeln nicht von dieser Außenseiterrolle her vollziehen, ethisch. Die lebenserklärenden philosophischen Konstrukte, die eine kategorische Erlaubnis für den Speziesismus erteilen, weisen allgemeine ethische Lückenhaftigkeiten auf. Es besteht keinerlei Möglichkeit sich im ökosozialen Kontext von Tierlichkeit einzuordnen und zugleich dort eine Hoheitsposition einzunehmen [die nicht unklar und illegitim verbliebe], noch ist es möglich das Tierliche auf der soziomoralischen Ebene irgendwie auszuschließen. Diese Sonderposition bleibt erstmal ein offener Fragepunkt.
Jagdlust als Willkür in Rahmenwerk und Praxis
Vor dem Hintergrund von Legitimitätsfragen können wir drei Thesen zur Jagd soweit ableiten, wenn wir Herrschaft und Legitimität nicht gleichsetzen:
- These 1: Jagd ist Mittel und Zweck in einem, das Töten wird (begleitet von einer Form emotional genugtuender „Jagdlust“) verherrlicht, die die gemeinschaftliche Rechtfertigung des Akts unterstreichen soll, die kulturelle Funktion wird in Vorgaben persönlicher und gemeinschaftlicher Erfüllung reflektiert, ein bestimmtes Menschenbild sucht und findet seine Selbstvergewisserung und anerkennende Zuordnung in dem Akt.
- These 2: Auch das die Jagd rechtfertigende Rahmenwerk ist per se ein speziesistischer Akt – das Leben von Tieren wird als kontrollbedürftig entwertet – hierarchisch abgewertet, Freiheit verliert hier seine Gültigkeit und Tod wird zu einem Symbol durch Menschen oktroyierter Macht.
- These 3: Als „Statusritual“ und als „psychische Notwendigkeit“ lässt sich die besondere nekrophile Begehrensstruktur in vermeintlich „kulturstiftenden“, zumindest normalisierten Ausdrucksformen nachzeichnen und findet dort ein permanentes reinforcement.
Die Jagd ist nicht primär ein Mittel zur ‚Bestandsregulierung‘ oder kulturell-historisch begründbar in einer Weise, die den Menschen auf eine monolithische Gemeinschaft reduzieren dürfte, sondern sie ein in sich selbst stehender Akt der Gewalt. Ihre gesellschaftlichen Rationalisierungen – ob als Statussymbol, anthropologische ‚Notwendigkeit‘ oder Hegepraxis – verschleiern den Kern: Jagd manifestiert eine sehr grundlegende Form des Speziesismus, indem sie das Töten von Tieren als einen von Enthusiasmus begleiteten und dem Gemeinwohl dienenden kulturellen „Lustmoment“ und kulturelle Selbstvergewisserung legitimiert. Sie ein ur-nekrophilie förderndes Ritual, das den Tod funktionalisiert, um menschliche Macht über nichtmenschliches Leben zu inszenieren.
Jagd war nie einfach ausschließlich ‚Nahrungssuche‘ oder ‚Naturpflege‘, sondern immer ein Akt, der die Tiertötung als Machtritual von Kontrolle und Definition in den Mittepunkt rückt. Immerhin ist der Mensch nicht aus einem vagen exzeptionellen Nichts entstanden und seine Entwicklung beinhaltete den Gang seiner Sonderposition, die wir oben thematisch angeschnitten haben. Die Begründungen – ob Hege, Tradition oder Urmensch-und-Zivilisations-Narrativ – sind kontextuell, aber können nicht begründen, weshalb eine Tiertötung gerechtfertigt werden sollte. Im Kern geht es beim jägerischen Töten um eine Faszination und das Festhalten an die hier geschaffenen Abläufe, die sich aus einem Hoheitsgefühl, über Leben und Tod entscheiden zu können, ergeben. Die Jagd ist eines der Ur-Rituale von Herrschaft über das Nichtmenschliche: Sie macht das Töten selbst zur Quelle [Töten als „zivilisationsstiftend“] von menschlichem Sinn und eigener Selbstvergewisserung, als Teil der dominanten Strukturen eigener Gemeinschaft und erhebt Gewalt über Tierindividuen > zu ihrem, als legitimen Teil begriffenen und für alle Menschen gelten sollenden Fundament einer anthropogen-hegemonialen, die Tiertötung normalisierenden Gesellschaft.
Wer jagt, feiert nicht Natur – er feiert Macht über den erteilten Tod.
Tiere als soziale Subjekte zurückholen
Wenn die Gegenseite nur mit Abstrakta wie „Bestand“, „Hege“, „Artgerechtigkeit“ hantiert, muss der Verweis konkret auf die eigene Sozialität von Tieren erfolgen, Kenntnisse und Beobachtungen müssen zunehmend emanzipativer benannt werden, aus nicht-auf-das-biologistische-reduzierende tiersoziologischer Sicht, um im Sinne anvisierter juristisch relevanter Tierrechte den Fokus auch mit auf weitere ökosoziale Kontextualität zu lenken:
- Säugetiere leben in komplexen Familienverbänden – was passiert für die Tiere, wenn du ihre tierlichen Familiensysteme zerstörst [und natürlich auch in ihren Lebensraum nach deiner Logik und für deinen Nutzen instrumentalisierend eingreifst]?
- Rechte im eigenen Habitat: Das Leben im Lebensraum ist nicht als Instinktautomatismus erklärbar, sondern bildet sich aus komplexen ökosozialen Zusammenhängen, die bislang in kanonisierter Form nur in speziesistischen Kategorisierungen und Narrativen gefasst wurden. Naturschutz muss Raum gewähren und schützen, und muss parallel dazu der Instrumentalisierung und der Umwandlung von Natur in ‚Ressource‘ entgegenarbeiten.
→ Jagd und das „Management“ von Naturräumen lässt sich gleichsetzen mit willkürlicher Zerstörung und Disruption tierlicher sozialer Beziehungen, etc.
Erklärungsmodelle über die Menschheit und ihre Kulturgeschichten, spiegeln sich in negativer Weise, in parallel dazu konstruierten sowie sich herausbildenden unhinterfragt verkürzenden Sichtweisen auf > Tiere und Tierlichkeit und > Natur und nichtmenschliches Sein als solches [und hiermit auch > auf die Vorstellungen von „Materialität“ und den klaren Schismen zwischen „Denken, Geist, Sinn und Grund“ und „ursächlicher ‚natürlicher‘ Gegebenheit“, welche konsekutiv einem besonderen Willensakt oder gestisch einer „Schöpfung“ untergeordnet sein müsse. Die einzige Gegenlogik im Bezug auf typische anthropogene Ideen über „Materialität“ entwickelt sich erst aus den Folgen der ökozidalen Zerstörung].
Den grundsätzlichen Machtaspekt auf hinterfragende Weise sichtbar machen
Ein Hauptargument gegen die Jagd ist: Sie ist kein neutrales „Naturgeschehen“, sondern eine Machtdemonstration – und Macht und Gewaltausübung sind von einem postanthropogenen Standpunkt immer zu hinterfragen, wenn sie zerstörerische Maßnahmen gegen die Existenzform und das Existenzrecht anderen Lebens darstellen und dabei in arbiträrer aber normativer Weise etablierend und konstituierend sind:
- Was mach den Vorgang und die Handhabe der Delegierung eines Gewaltmonopols über wildlebende Tiere an eine gesellschaftliche Minderheit (Jäger und Jägerinnen) durch eine heterogene Mehrheit einer Gesellschaft (aktiv oder in gewährender Weise) zu einem ethischen Recht? Wird nicht genau hier das Verständnis von Ethik entlarvt als bloßer Mehrheitsentscheid?
- Speziesismus und Tierobjektifizierung bilden den Grund, weshalb „Jagd“ sprachlich positiv konnotiert wird, im Zusammenhang mit Tradition, Erbe und Notwendigkeit, während die Vorkommnisse einstmaliger Entgrenzung, Instrumentalisierung und Entrechtung, welche verschiedene allgemeine Unterdrückungsformen und Beherrschung von Menschen durch Menschen ausmachten, nicht als etwas in einer „Ursprünglichkeit“ Begründetes verteidigt werden könnten, da man sich jetzt einig ist, dass jeder Mensch zumindest als so etwas wie ein Initialpunkt seines Menschenrechts anzuerkennen ist, und dass dies überhaupt erst ein Verständnis von Gemeinwohl bilden kann. Das Ausklammern speziesübergreifender Sichtweisen, die eine radikale Pluralität und Mitwelt überhaupt anerkennen würden, untermauert die speziesistische Starre und momentane Unabänderlichkeit hegemonialer Normen.
Von „Allgemeinplätzen“ zur legitimen Konfrontation
Handlungsempfehlungen? Mit bloßen Allgemeinplätzen kommt man nicht weiter. Die Alternative wäre möglicherweise:
- Szenarien spiegeln: „Stell dir vor, jemand kommt in deinen Garten, und greift dort ein, in einer vermutlich sehr begrenzten Logik von Richtigkeit, die Menschen entspricht, die in die Territorien anderer eindringen?“ Die kognitive Dissonanz in der Begegnung von Menschen mit Tieren und der Mitwelt überhaupt, schadet aller Sozialität, da mit der Erklärung der Unsinnigkeit einer Bezugnahme, alle Bezugnahme ihren Kontext und Sinn verliert.
- Selbstbild spiegeln: „Du sagst, du bist Naturliebhaber – aber was du eigentlich liebst, ist die Macht über Leben und Tod.“
Das ist kommunikativ unbequem, aber ohne das Durchbrechen des Selbstbilds passiert wenig, weil der Kreislauf gegenseitiger Loyalität um jeden Preis, der für Homo Sapiens so typisch ist, nicht in vernünftiger Weise hinterfragt wird. Der Mut zur Kritik ist ein Bestandteil jeder zivilgesellschaftlichen Entwicklung, und so auch der Bemühungen um die Anerkennung tierlicher Rechte und Prioritäten.
Politische Taktik: Die Hunt Sabs als Vorbild
Aktionsformen wie die der Hunt Saboteurs in ganz Großbritannien als Modell nehmen und über alle Landesgrenzen hinweg unterstützen und wo möglich selbst daraus vermehrt lernen, über die Suche nach inhaltlichen Anschlüssen auf der Ebene der Herrschaftskritik und in Adaption auf hiesige gesellschaftliche Strukturen speziesistischer Macht. Die dezentral arbeitenden Hund Sabs wirken, weil sie physisch Präsenz zeigen: Man widerspricht nicht diskursiv mit Body Politics, bei denen physisch der die-Tiere-schützende-und-unterstützende-Bürger den gut organisierten, vernetzten, herrschenden Meuten sein Rechte konfrontativ entgegenstellt. Die Jagdpraxis wird so auf pragmatisch-ethische Weise unterlaufen. Parallel müssen die Argumente diskursiv aufgeladen sein und deutlich abgrenzbar sein, damit Aktionen nicht als bloßer „Extremismus“ einer Gruppe von Menschen gegen eine andere Gruppe von Menschen abgetan werden können, sondern stattdessen deutlich wird, was Antispeziesismus argumentativ bedeutet. Dies kann sich über ein detailliertes gelebtes Selbstverständnis von Tierrechtlern vermitteln sowie über klar zuzuordnende Positionen.
Toolbox
Willst Du diskursiv in Konfrontation treten oder dich besser in Rede und Antwort stellen, z.B. beim Schreiben von Kommentaren oder eigenen Essays zur Problematik von „Jagd als Ausdruck von menschlich speziesistischen Hegemonialansprüchen“, dann könnte es helfen folgende Punkte zu bedenken:
- Wie spreche ich die andere Seite an? Wo liegen meine inhaltlichen Kritikpunkte ganz exakt: Der Jäger oder der Jagdbefürworter versteht Deine Haltung grundsätzlich erstmal nicht wirklich, weil er mit festen Vorstellungen und abwertenden Vorurteilen gegenüber Tieren und Tierlichkeit lebt; selbst wenn er vorgibt, dass es eine jägerische Form der Achtung von und des Respekts gegenüber Tieren und der Natur gäbe, so sind dies doch in sich abstruse Behauptungen und nicht mehr als Legitimationen, die allein den Jagenden und Jagdbefürwortern selbst dienen. Auf ein Verständnis zu pochen hat weniger Sinn als zu zeigen, dass andere Haltungen gegenüber Tieren bestehen, artikuliert und verteidigt werden.
- Wie unterlaufe ich die Selbstbilder von jagenden- oder Jagd befürwortenden Speziesisten, ohne nur abstrakt-moralisch zu klingen? Die Geschichten von Menschen die jagen, verlaufen in deren „Systemen“ anders, als die Geschichten und die unverstandenen Narrative von Tieren in deren ‚freien Kontexten‘. Wichtig ist es, nicht zu meinen, man habe sich als Mensch mit den Erzählungen von Jagenden und Jagdbefürworten auf irgendwelchen „möglichen verschiedenen Ebenen“ gleich zu machen.
- Wie bringe ich Tiere als Subjekte auf die Bühne der sozialen Auseinandersetzung? Hier ist es wichtig, tiersoziologische Ansätze überhaupt selbst ernst zu nehmen und thematisch zu verfolgen, etc.
Klar und eindeutig kann aber jeder über „Kulturverständnis“ und „Sozialität“ von Menschen unter Menschen reden, weil wir hier zumindest ein (wenn auch relatives) Mitspracherecht gegenseitig bedingt geltend machen können. Wir sind leider noch nicht so weit in unseren Gesellschaften, dass wir den concern für die Mitwelt miteinander, ohne Rekurs auf einen utilitaristischen „mehrheitlichen Nutzen“, zu einem Hauptbezugspunkt machen dürften.
Dies wären z.B. das obige zusammenfassen also nochmal ein paar Ansatzpunkte, die auf der Ebene der intramenschlichen sozialen Interaktion greifen könnten, wenn man es mit Leuten zu tun hat, die sich über das „Jäger-und-Sammler-Narrativ“ rechtfertigen:
Das „Urmensch-Argument“ … wird nämlich noch brüchiger, weil es von vornherein auf einer monolithischen Menschheits-Erzählung beruht: „Wir waren alle Jäger, also steckt das Töten in uns.“
In Wirklichkeit aber:
- Vielfalt statt Einheitlichkeit: Menschliche Kulturen waren nie homogen. Es gibt schon sehr früh Hinweise auf Gemeinschaften, die weniger jagdzentriert lebten, oder die Jagd [Tieropfer und Tiertötung im Allgemeinen] rituell versuchten stark zu beschränken.
- Ambivalenz zum Töten: Viele archäologischen Funde und Mythen deuten darauf hin, dass das Töten von Tieren nicht selbstverständlich oder „befreiend“ war, sondern oft mit Tabus, Ritualen, Schuldabwehr und „ehrfürchtiger Ambivalenz“ (…) einherging. Das zeigt: In frühen Gesellschaften ist (auch nach aktuellem wissenschaftlich kanonisiertem Denken und unter heute geltenden Kriterien in Vorgehensweisen von Wissensgenerierung, die nicht einmal Speziesismus-sensible Methodiken aufweisen) ein Bewusstsein für die Problematik nachweisbar.
- Ackerbau und Sesshaftigkeit: Nach heutiger anthropologischer Kenntnis und Auswertungsweise verschob sich der Schwerpunkt im Neolithikum und der sog. Neolithischen Revolution zu Ackerbau, Hortikultur und der Anwendung von Kenntnissen über Pflanzenarten (…). Mit der Entwicklung und dem Hegen von Pflanzenkulturen wurden damit einhergehende religiöse und mythische Ideen auch zu wesentlichen zivilisatorischen Trägern, gerade in geschlechterparitätischen Kulturen.
- Frühe vegetarische / proto-vegane Traditionen: Von den vedischen Strömungen in Indien über pythagoreische Schulen und asketische Bewegungen in der Antike, um zumindest die bekanntesten Strömungen zu nennen – etablierte sich auch die Idee, dass das Nicht-Töten kulturell den Menschen menschlicher mache oder stärker zu seiner wesenseigenen Selbstverwirklichung führe, als die Brutalität des Tiere-Tötens als ein Dreh- und Angelpunkt menschlichen Daseins. Eine die-Tiere-in-den-Mittelpunkt-stellende-Form-des-Pazifismus ist extrem alt und keinesfalls ein „spätes westliches Luxusphänomen“. Eine weitere sich anschließende kulturenbezogene Frage wirft sich auch in Hinsicht auf die Gesamtentwicklung auf, die man als offen betrachten könnte > nämlich inwieweit man kulturspezifische Besonderheiten verwischt, durch eine Gesamtfassung und Bündelung vor- und frühgeschichtlicher Entwicklungen.
An der Stelle endet der Universalismus des Narrativs von Jagdbefürworter:innen:
Nicht der Mensch war Jäger – sondern einige Gruppen von Menschen jagten oder lebten in Verbänden mit den Menschen, die jagten. Andere wiederum entwickelten schon sehr früh pazifistische Kulturmodelle des Respekts oder gar der religiös-mythologischen Verteidigung von Überzeugungen und Annahmen über Dinge, die eine Vorstellung über eine ‚Heiligkeit des Lebens‘ zum Ausdruck brachten, oder standen überhaupt in Traditionen, die in dieser Richtung lagen.
So lässt sich die Frage zuspitzen: Wenn die Menschheit immer schon mehrere Wege kennen musste – warum soll dann ausgerechnet der blutigste und Mitweltunterdrückendste der ‚ursprüngliche‘ und ‚wahre‘ sein?
—
Unsere Einwände gegen das weiterhin noch vorherrschende Positivbild von Jagd in der Gesellschaft umfassen nunmehr die Punkte:
- Das ‚Urmensch-Argument‘ > Klingt gut, bis man aber merkt, dass nicht alle Urmenschen Jäger waren. Manche waren auch Sammler, Ackerbauende oder dagegen und schlicht froh, nicht jagen zu müssen.
- Die Menschheit war nie homogen > Schon früh gab es Ackerbaukulturen, vegetarische Strömungen und Tabus gegen das Töten. Also warum gerade die blutigste Variante als ‚Natur‘ verklären?“
- Jagd war immer schon umstritten > sonst hätte es keine Rituale, Schuldabwehr und Tabus gebraucht. Diese müssen auch nicht überwunden werden.
- Wenn Menschen schon immer unterschiedlich mit Tieren umgingen > warum entscheiden sich Befürworter und Praktizierende ausgerechnet für das Töten als ein unter allen Umständen zu rechtfertigendes Ideal?
- Selbstbilder > Jäger:innen stellen sich gern als „Naturmenschen“ dar → in Wirklichkeit sind es Statusrituale, Machtausübung und gesellschaftliche Privilegien, die hier im Vordergrund stehen.
- Tiere sind soziale Subjekte > über „Bestand“ oder „Hege“ reden, ist eine Sprache, die nicht redet über die Integrität tierlicher Sozialbeziehungen und über die fragilen Beziehungen zu ihrem Habitat, welche durch die Jagd in sich selbst autorisierender Form gestört und zerstört werden.
- Allgemeinplätze klären den Konflikt für keine der involvierten Seiten > Der Mensch nimmt den ganzen Naturraum in destruktiver Weise ein und gibt sich so mittels Gewalt ein Recht auf eine vernunftlose unkontrollierbare Vormachtstellung.
- Tierrechtspolitik > Beispiele wie die Hunt Saboteurs in Großbritannien zeigen, dass direkte Aktionen und Argumentation notwendig sind, um das Selbstbild der Jäger:innen zu brechen.
Schlussfolgernd
Präzedenz allein ist kein schlüssiges Argument: Das „Urmensch“-Narrativ als häufige Rechtfertigung einer Tradition des Tötens, die für Homo Sapiens konstituierend sein soll.
Jäger:innen berufen sich gern darauf, dass der Mensch „schon immer“ Jäger gewesen sei. Dieses Narrativ klingt eingängig, hält aber historisch und kulturell nicht stand. Die Menschheit war nie homogen: Schon früh gab es Ackerbauende, Gemeinschaften mit vegetarischen Leitbildern und Kulturen, die dem Töten von Tieren durch Werte vermittelnde Mythen und moralische Erzählungen entgegenzuwirken versuchten.
Ambivalenz zum Töten war ein Konflikt der seit Beginn einen Teil menschlicher Zivilisation ausmachte – und gerade daraus entwickelten sich Ideale kulturell gefasster Leitbilder, die das praktische Leben begleiteten. Von bekannten östlichen Traditionen über philosophisch und religiöse Vorstellungen der Antike bis hin zu Tiere-altruistisch-inkludierenden-Bewegungen zeigt sich: Der Gedanke, dass das Nicht-Töten der tierlichen Mitwelt kulturell höher steht, als das menschliche Morden der Tierwelt, ist alt, nicht modern.
Wenn es also in der Menschheitsgeschichte immer schon konfliktierende Wege gab – warum soll dann ausgerechnet die blutigste Tradition als verbindlich, weil vermeintlich „natürlich“ und „ursprünglich“ gelten? Jagd als Überlebensnotwendigkeit bei Teilen der Menschheit machen sie nicht moralisch richtiger aus einer Sichtweise, die nicht durch einen speciesist bias of functional supposed „human self interest“ geleitet ist, und die Jagd als Statusritual, als Ausdruck von Macht und als Inszenierung einer speziesistischen Ordnung muss nicht von jedem als evolutionäre Zwangläufigkeit hingenommen werden.
Tiere sind kein „Bestand“ oder „Hegeobjekte“, sondern soziale Subjekte, die in Familienverbänden, Habitatsbeziehungen und substanziellen Interaktionen leben. Jagd zerstört soziale Gefüge und verwandelt die Tiere in kalkulatorische Objekte und die Natur zum Kontrollraum.
Das Urmensch-Argument über das Jäger- und Sammler-Mindset als das kulturstiftende Moment schlechthin, bricht also gleich doppelt zusammen und damit der „unumstößliche Sinn“ eines historischen Kontinuums: historisch, weil es die Vielfalt menschlicher Kulturen unterschlägt, und aktuell, weil Jagd ein lang anhaltendes Kontinuum des hegemonialen Anthropozentrismus verkörpert, dessen Denken uns in die Umweltkatastrophen geführt hat und zu einem Analphabetismus, in Sachen menschlichen umweltethischen Bewusstseins für die Bedeutung der Natur in sich selbst und nicht als Mittel.
Wer sich auf den Urmenschen und die Urpsyche des Menschen beruft, muss sich fragen lassen: Warum dann nur beim Töten von Tieren, warum dann nicht gleich in jeder ethischen Fragwürdigkeit? Und: warum wird überhaupt ein derart verkürztes Bild vom Menschen in seiner Geschichte hochgehalten und propagiert?

Eine Antwort auf „Antijagd als Aufhebung zivilisatorischer Paradoxie“
[…] Antijagd als Aufhebung zivilisatorischer Paradoxie > https://tierrechtsethik.de/antijagd-als-aufhebung-zivilisatorischer-paradoxie/ […]