Hass im Freistil? Lebensraum.

Hass im Freistil? Lebensraum.

Tschördy Lück-Flender

Entwurf 27.12.25

Sich von stattfindendem Unrecht abzuwenden, genau aus einem einzigen Grund: weil es gemeinschaftlich, von einer als relevant betrachteten Menge an Menschen, nicht benannt wird, besteht als ein immer gleicher, altbekannter ethischer Fehler, den wir aber in wohl typischster Weise unter tierobjektifizierenden Menschen antreffen.

Diese Art einer teilbewussten Reaktionsweise verhindert in Folge aber auch jegliche Auseinandersetzung mit den „Bausteinen“ einer menschliche Identität, die Welt als instrumentalisierbares Gebrauchsobjekt versteht.

[Warum eine instrumentalisierende Haltung gegenüber Mitwelt als ein logischer Fehlschluss bewertet werden kann]

Die Frage ist, in welchen Bezugsrahmen sich Menschen denken, sowohl theoretisch in ihren abstrakten Ideengebilden als auch in ihren konzeptuellen Lebenspraktiken als [Mitkonstituenten von] Gesellschaften und Kulturen.

Aus was setzten sich Wertvorstellungen in Gemeinschaften als Ideale und angestrebte Normalität zusammen? An welchen Stellen scheinen sie sich selbst ad absurdum zu führen.

Gerade die Gewaltfrage ist hier ein markantes und unlösbares Problem. Und auch an der Stelle fällt uns auf, dass also auch an anderen Bruchstellen (ob soll oder nicht), Zusammenhänge ausgeblendet werden.

Fehlnarrativen wird eine enorme Autorität im menschlichen Denken und Evaluieren zugeordnet, dabei werden die Narrative aber willkürlich und nach unklaren Mustern in sich überprüft.

Würden Menschen aus einer begründeten Angst heraus fehlhandeln, wäre das eine Sache, wir haben es hier kulturell mit den Selbstentfaltungsfragen zu tun, die zu Lasten und zerstörerisch auf die Mitwelt von Einzelindividuen und Massen vollzogen werden.

Erschwert wird die Lage, weil Menschen mit fehlerhaften Narrativen Konsequenzen überhaupt nicht begreifen. In ihrer Projektion finden Geschichten statt, die nach Welt aussehen, die aber sinnentleerte Formen mentaler Selbstbefriedigung sind (sui generis Identitäten).

Und da sie nicht mal ihren Urhebern reichen, suchen diese immer wieder in der realen Mitwelt, aber führen alles den verengenden herrschaftsinspirierten Narrativen zu. Dies in der Regel in gemeinschaftlichen Kommunikationsritualen.


Anthropos im Menschenzoo: menschliche Soziologien und Umwelt wird Mitwelt

Man darf doch wohl fragen Wie formiert sich eine andere Soziologie als ein anderes soziales Sein, wenn a.) Mitwelt im eigenen Narrativ fehlgedacht wird und b.) wenn der Bezugsrahmen für „sozial“ jeglichem Herrschaftsnarrativ folgen möchte???


Der Kontext im Raum > Verortung. Eine Rekapitulation einer Beobachtung zum Thema Lebensraum. [Aus: Tschördy, Azadeh und Saline, Jahrgang 1, Nr. 2, 2022, ISSN 2751-6857, Edition Farangis, Seite 4. Revised version 13.07.22]

Das Habitat

Gedanke:

Das Ich: In der ahnenden Erkenntnis über eine eigene „Sinnungebundenheit“, kann eine Erklärung über dasjenige liegen, das sich dem eigenen gegenwartsbestimmten Urteil zu entziehen vermag.

Die Lokalität: Man lebt in einem Raum voller Dinge, die im ungebundenen Raum in (von einem selbst) nicht fassbaren Kontexten stehen.

Der Clash: Würde man den Sinn der Gegenstände, mit denen man sich umgibt, gerecht beurteilen, das hieße unabhängig von derer ästhetischen oder nutzbringenden Funktion für einen „selbst“, dann sähe man in den geschauten und gefühlten Objekten die zu Trophäen umgearbeiteten Trümmer eines menschlichen Feindzuges gegen „das Andere“.

***

Ihr arrangiert Euer Inventar, aber gebt ihm keine adäquate Beurteilung.

Mit der reduzierten Sicht über die Natur [sie] auf die Ebene dessen [perspektivisch forcierend], allein Teil menschlichen Existenzinventars zu sein, glaubt Ihr, habe sich auch die Frage über den Zweifel am Menschlich-Absoluten erledigt.

Der Tisch, der Ring, all die unbestimmten und bestimmten Teile Eures „Inventars“, haben eine Geschichte als Bestandteile des Naturhaften.

Die Gegenwärtlichkeit der Natur in allen Ihren Erscheinungsformen bezeugt aber dennoch immer aufs Neue Euer Unvermögen sie zu beherrschen.

Das Habitat, mein Zuhause

Das Habitat des kollektivistisch-humanzentrisch-Menschlichen ist gegenwärtig das Konstrukt, das aus dem getöteten oder entrissenen Naturhaften errichtet worden ist. Im Gegensatz dazu ist das Habitat des nichtmenschlichen Tierreichs das Pflanzliche und Geologische, das ursprüngliche reelle Environment.

Die Ordnung, die humanzentrische Menschen [humanzentrisch, über die Tatsache menschlicher Subjektivität hinaus, als kollektivistische Egozentrik und ähnliches] sich in ihrem konstrukthaften Habitat einrichten, kann als Spiegel ihrer Denkart gelesen werden. Das ursprünglich Naturhafte wird zum Gegenstand, der jeweils das Bedürfnis des Menschen als Kleinsteinheit seines Inventars befriedigen soll.

In vor- und frühgeschichtlicher Zeit sieht man, dass Inventar und Architektur eine an das Naturhafte gebundene, seins-affirmative Bedeutung hatten. Auf vielen frühzeitlichen Fundstücken befinden sich Abbildungen, die kulturelle biophile, d.h. eine dem Leben in freundschaftlicher Haltung gegenübertretende Naturbezogenheit verdeutlichen.

Nun befinden wir uns in einer Gegenwart, in der das Inventar und die Architektur als Bestandteile des menschlichen Habitats eine ganz spezifische Form angenommen haben, in der ein krasser Bruch sichtbar ist, in der Bedeutungsempfindung des unmittelbaren und weitreichenderen Lebensraumes.

Ortega y Gasset setzt einem Gedanken solch einem Menschseins in Kontrast zum einem möglichen natürlichen und konstruktiven Lebensbegriff. Er ist selbst aber nicht konsistent in seiner Haltung gewesen und befürwortete beispielsweise die rituelle, zur Schau gestellte Tötung von Rindern in Form von Stierkämpfen.

Merkwürdigerweise haben Menschen, die eine destruktiv-hegemoniale Haltung gegenüber Nichtmenschen einnehmen, häufig aber einen gewissen Gerechtigkeitssinn gegenüber dem Missverhältnis zwischen dem ‚Menschenmacht‘ und „der Natur“. Y Gasset schreibt:

„Wir Menschen haben die Welt in Fächer eingeteilt, denn wir gehören doch zur Spezies der Klassifikatoren. Jedes Fach entspricht einer Wissenschaft, und darin eingeschlossen ist ein Haufen von Wirklichkeitssplittern, die wir im ungeheuren Steinbruch der Mutter Natur aufgeklaubt haben. In Gestalt dieser kleinen Splitterhäufchen, zwischen denen eine – bisweilen kapriziöse – Übereinstimmung besteht, besitzen wir die Trümmer des Lebens. Um zu solchem seelenlosen Besitz zu kommen, mussten wir die ursprüngliche Natur zergliedern, mussten wir sie töten.“ José Ortega y Gasset, Gesammelte Werke in vier Bänden, Band 1, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 1950, S. 40.

Das Inventar und das Architektonische: die fragmentalen Splitter einer reellen Natur und der eine große einen Steinbruch, der wegen dieser Ressourcen ausgebeutet wird – diese Umschreibung Ortega y Gassets über die Tötung der Natur bezieht sich sowohl auf die Begrifflichkeiten der Art des Denkens, welches die Natur in seinem Begreifen rationalisiert, und er bezieht sich auf den materiellen Realzustand, in den die menschlichen Zivilisationen den einstigen Naturzustand versetzt haben.

Begrifflichkeit lässt sich nicht von Materialität trennen. Die Auffassung über etwas, bestimmt mein Handeln dem Gegenstand gegenüber. Im Falle des Humanzentrikers ist die Einstellung gegenüber der ursprünglichen Natur eine klassifizierende, das heißt der Gegenstand der Reflektion wird im Denken einer kategorischen Verallgemeinerbarkeit unterworfen, und zwar in Hinsicht auf die Funktion, die der Gegenstand für den Menschen haben soll bzw. kann.

Der humanzentrisch orientierte Mensch umgibt sich mit den Splittern der Natur als Kategorien im Denken und im Handeln, er schöpft aus der Quelle des Naturhaften, wobei er die Ganzheit der Natur als störend verwirft und aus ihr eine „Halbheit“, ein „unvollkommen Sein“, einen „Unvollkommenheitszustand“ macht.

Die „Vollkommenheit“ wird im Humanzentrismus erst durch die menschliche Subjektivität geschaffen, durch die begriffsgebende und gegenstandserlebende Instanz.

Die Organismen und ihr naturhafter Kontext werden zu den aufgeklaubten Splittern und so zu Objekten bestimmt, die Bestandteile des physischen und psychischen Inventars und Raumes, des durch menschliche Ideologien und Zeitgeister geschaffenen Konstrukts zu sein haben.

Aber diese Teile bleiben auch Teil des Naturhaften, und das Maß, das auf sie angewendet wird, kann auch das Maß des environmental orientierten sein – und das Maß dessen, das sich dem anderen Leben respektvoll zuwendet.

***

Deutlich wird die Eigenschaft des naturhaft bleibenden vor allem beim Müll, dem, was wir Menschen wegwerfen, entsorgen; der Müll wird in der einen oder anderen Form wieder „der Natur“ zurückgegeben. Die Splitter, denen das ‚naturhaft Kontextuelle‘ entzogen wurde, müssen einen neuen Weg der naturhaften Kontextualität finden. Diese Teile sind nicht mehr Bestandteil des menschlichen Konstrukts, der Mensch hat sie ausgespien. Er gliedert sie nur wieder ein durch Prozesse der Wiederaufbereitung, der Wiederverwendung.

Das naturhafte Außen, das dem Steinbruch gleicht, den man langsam abträgt, muss gänzlich nützlich sein und erschlossen werden.

Teile, die nicht erschlossen werden, bergen eine Gefahr dessen in sich, dass sie entweder nur – einen auf die eigene mögliche Sinnlosigkeit hinweisende – „Natur“ darstellen, oder man hat ein ihnen innewohnendes Geheimnis, einen evtl. Nutzen verpasst, oder der unerschlossene Teil ist bedrohlich, weil er das Habitat anderer Wesen darstellt: Insekten, Mikroorganismen, etc. und er soll schließlich noch erforscht, erschlossen werden.

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Die „Natur“ ist der Ort, an dem man seine Untaten verstecken kann. Der Ort, an dem man seinen Müll loswird, weil diese Natur durch die Scheinachtung ihr gegenüber, als „unvollständig“ deklariert werden kann. Zuhause hält man alles „in Ordnung“, denn das eigene System darf nicht aus den Fugen geraten:

„Das Bedürfnis, das eigene Heim auch in anderen Umwelten zur Geltung zu bringen, ist bei Menschen sehr ausgesprochen. Während aber der Mann sich meist damit begnügt, seinem Arbeitszimmer sein eigenes Gepräge zu geben, übernimmt es die Frau, das ganze Haus mit ihrem Geist zu erfüllen, der sich in tausend Kleinigkeiten ausspricht.“ Jakob von Uexküll, Niegeschaute Welten, Paul List Verlag, München, 1957, S. 22.

Über das Lebensraumverständnis des Menschen findet man wenig selbstkritisch reflektive Beschreibungen. Es scheint man könne, was den Lebensraum anbetrifft, vom Selbstgeschaffenen geistig nicht mehr zehren, man braucht stetig das naturhafte Ganze, um weiter Stücke daraus zu extrahieren und die Stücke und den Steinbruch dann stetig für unvollkommen zu erklären, und weiter abzubauen, Ressourcen zu extrahieren.

Der Raum innen wird „rein und sauber“ von natürlichen Kontexten gehalten. Im inneren Raum herrscht eine systemhafte Ordnung.

Das Habitat der Nichtmenschen

Das Habitat der nichtmenschlichen Tiere wird als ausbeutbarer Raum betrachtet. Es wird argumentiert, dass Tiere sich sowieso ‚nur instinkthaft‘ in ihren Habitaten bewegen, einhergehend wird sowohl Tieren als auch deren Lebensraum der Eigenwert abgesprochen. Schlimmer noch „das Tier“ wird als Teil des menschlichen Habitats angesehen, und die Frage, ob „es“ einen Eigenwert hat, spielt in dem eigenen humanzentrischen System keinerlei Rolle mehr. „In dem Moment, indem ich etwas in meinem Raum einfüge, unterliegt es meinem persönlichen Souverän“, so etwa … .

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Der sich überordnende menschliche Raum und seine Bezugnahmepunkte

„Nicht das Verlangen nach wahren Gütern verdirbt den Menschen, sondern das nach falschen. Niemals würde ein Volk dadurch verdorben, dass es Getreide, Früchte, reine Luft, besseres Wasser, vollkommenere Künste, schönere Frauen, sondern weil es Gold, Edelsteine, Sklaven, Gewalt, falschen Ruf und eine ungerechte Überlegenheit haben wollte.“ – Joubert. Die französischen Moralisten, Band 2, Hg. F. Schalk, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1979, S. 284.

Der Mensch kann sich, folgt man Joubert, mit wahren Gütern umgeben und mit falschen. Dass man den Wunsch nach „schöneren Frauen“ als wahres Gut bezeichnen könnte, ist allerdings natürlich fraglich (und das gleiche würde ebenso für „schönere Männer“ gelten). Die Vorstellung darüber, ob ein Gut „wahr“ ist, hängt von der Auffassung über Moral und Notwendigkeit ab.

Und das ist unser Raum?

Braucht man das Inventar und die Architektur als Form einer negierenden Haltung gegenüber der äußeren naturhaften Umwelt?

Muss das eigene Habitat, in dem man gepflegte Subjektivität erleben will, die Objektivierbarkeit des Außen postulieren?

Muss das Habitat „Außen“, das Habitat des „Sich-Unterscheidenden“, in Form von vermeintlichem Luxus beispielsweise dem „Außen“ und den „Sich-Unterscheidenden“ entrissen werden?

Der Raum den der Humanzentriker sich schafft, symbolisiert > seine Grenzen nach außen über die Architektur und > seine Grenzen nach innen über das Inventar.

Der Mensch kann sich in dem Raumgefüge mehr oder weniger frei umherbewegen. Die inneren Grenzen sind gegeben durch bloße Zwangläufigkeiten, und sind ein Übel, dem man immer wieder versucht Abhilfe zu verschaffen.

Die Natur konstituiert die völlige Offenheit über die Ebene der Verbindungen: Himmel schließt an Berg an, der an das Tal anschließt, wovon alles von der Luft durchströmt wird. Die Bedeutung von Grenze verläuft im natürlich-environmentalen Kontext anders als im Raum menschlicher Gesellschaften.

Die Begrifflichkeit, die sich im Raum menschlicher Gesellschaften in Abgrenzung zum „Außen“ – als dem Naturhaften – entwickelt und bewährt hat, reicht nicht mehr dazu aus, das Menschliche in Gesamtkontext des Naturhaften zu lokalisieren. Der Mensch wird wahrgenommen und nimmt vor allem wahr, aus der Sicht seines eigenen Habitats heraus. Und die gewählte Perspektive setzt immer wieder den Menschen als Zentrum, nicht einfach als Perspektivnehmer, sondern als anvisiertes Subjekt, von Subjekt zu Subjekt.

Es scheint abwegig sich mal ein Bild darüber zu machen, wie die Welt aus Sicht eines Ökotops, in dem Sinne der Wesenhaftigkeiten solch eines organischen Gefüges, aussehen kann. Doch das scheint allein deshalb abwegig, weil wir der humanzentrischen Perspektive, die Welt aus unserer selbstgestalteten Sichtluke heraus zu betrachten, eine ‚isoliert-einzigartige‘ Bedeutsamkeit zuschreiben. Es ist nicht so sehr das Problem, dass das menschliche Subjekt das nichtmenschliche Subjekt wahrnehmen und reflektieren kann, sondern es ist das Problem der Wertung und nämlich der Geringschätzung in Hinsicht auf Einzigartigkeit! Die Welt im Kontext ihrer wesenhaften und naturhaften Beziehungen anzuschauen, ist für den Humanzentriker per Definition uninteressant.

Aber, so sehr wir uns selbst und der „Natur“ zu entfliehen und zu entziehen scheinen: alle unsere Konstrukte bleiben Teil einer umfassenderen Kontextualität, die unser Kalkül umreißen könnte.

Die Frage ist die der Lebensraumbetrachtung. Alle Stratageme, alle Umgestaltung, all Nicht-Wahrnehmung und alle Fehlnarrative. Sie bewegen sich im Habitat als Welt an sich. Eine Eingrenzung der Welt und des Selbstseins ihrer Konstituenten, ist ein final fragwürdiges Unterfangen. Wir bräuchten einen kompletten Neubegriff, der alte und neue bedeutungsvolle Denkungsarten über das sein dürfen in der Welt, in den Galaxien, in den Zusammenhängen all dieses großen Weltseins wirklich als Grundlage für einen hierseinsbegriff zusammenführt.

Ohne eine neue Lokalisierung kontextstiftender Theoreme bleiben wir im Herrschaftsdenken dem wir angeblich entfliehen wollten.

Hass im Freistil?

Mitweltverlust, Second Nature und der Zerfall des Menschseins

Lensetil Lensel

Sich von stattfindendem Unrecht abzuwenden, weil es nicht kollektiv benannt, nicht diskursiv legitimiert oder nicht sozial sanktioniert ist, stellt keinen individuellen Irrtum dar, sondern einen strukturellen ethischen Fehler. Dieser Fehler ist kein Mangel an Information, sondern eine Delegation von Urteilskraft: Die Fähigkeit, Unrecht zu erkennen, wird ausgelagert an Mehrheiten, Diskurse und autorisierte Deutungsrahmen. Ethik wird so nicht mehr als Verhältnis verstanden, sondern als Abstimmungsresultat.

Gerade in tierobjektifizierenden Kulturen zeigt sich dieser Mechanismus in konzentrierter Form. Gewalt wird nicht bestritten, sondern neutralisiert. Sie bleibt sichtbar, verliert jedoch ihre Relevanz. Leiden existiert physisch, aber nicht symbolisch. Was nicht benannt wird, gilt als nicht wirklich – und was nicht wirklich gilt, verpflichtet zu nichts.

Diese Form der Blindheit betrifft jedoch nicht nur das Gegenüber. Sie wirkt zurück auf das Menschsein selbst. Ein Menschsein, das den Bezug zur Mitwelt verliert, verarmt inhaltlich. Es verliert Realität, nicht im Sinne eines Faktenmangels, sondern im Sinne eines Beziehungsabbruchs. Was an die Stelle von Welt tritt, ist eine künstliche Ersatzordnung – eine Second Nature, die nicht aus Beziehung, sondern aus Nutzung, Klassifikation und Kontrolle besteht.

Diese Second Nature ist kein Fortschritt, sondern ein Kompensationsraum. Sie muss ständig stabilisiert, erweitert und verteidigt werden, weil sie keinen eigenen Realitätsgrund besitzt. Je weiter der Bezug zur realen Mitwelt erodiert, desto aggressiver wird die Selbstbehauptung des Menschlichen. Hybris ist hier kein moralisches Versagen, sondern ein struktureller Notbehelf: Wo Resonanz fehlt, tritt Überhöhung; wo Beziehung fehlt, tritt Herrschaft.

Entscheidend ist dabei: Mitwelt ist nicht instrumentalisierbar. Was als instrumentalisierte Mitwelt erscheint, ist bereits kein Verhältnis mehr, sondern ein Symptom des Zerfalls. In dem Moment, in dem Welt, Leben oder andere Wesen als Mittel begriffen werden, ist Mitwelt aufgehoben. Instrumentalisierung ist kein missglückter Umgang mit Welt, sondern der Abbruch von Weltbezug selbst.

Der Irrtum liegt in der Annahme, Beziehung lasse sich funktionalisieren. Doch Mitwelt ist kein Bestand, kein Reservoir, kein Außen, das verfügbar gemacht werden könnte. Sie ist ein Gefüge wechselseitiger Konstitution, das sich der vollständigen Einhegung entzieht. Jeder Versuch, sie nutzbar zu machen, produziert nicht Kontrolle, sondern Amputation: Übrig bleiben Fragmente, abstrahierte Körper, entkontextualisierte Dinge – Trümmer einer ehemals lebendigen Welt.

Aus diesen Trümmern entsteht die Second Nature: ein Raum aus toten Bedeutungen, verwerteten Existenzen und simulierten Sinnzusammenhängen. Diese Ersatzwelt trägt noch die Formen von Welt, aber nicht mehr deren Wirklichkeit. Sie kann nur durch permanente Gewalt aufrechterhalten werden – materiell, symbolisch und epistemisch. Gewaltverherrlichung ist in diesem Zusammenhang kein kultureller Ausreißer, sondern ein Symptom: Sie erzeugt Intensität dort, wo Realität fehlt.

Der Zerfall beginnt daher nicht nach der Instrumentalisierung, sondern in ihr. Er ist nicht ihre Folge, sondern ihr inneres Prinzip. Wo Mitwelt als Mittel gedacht wird, ist sie bereits verschwunden – und mit ihr verschwindet auch die Möglichkeit eines nicht-gewalttätigen Menschseins. Was bleibt, ist ein selbstreferenzielles Subjekt in einem selbstgebauten Habitat, das ständig erweitert, gereinigt und verteidigt werden muss, um die eigene Sinnleere nicht sichtbar werden zu lassen.

Ein Menschsein ohne Mitweltbezug bleibt nicht neutral. Es wird zwangsläufig ärmlicher, roher und destruktiver, weil es nichts mehr gibt, woran es sich messen, relativieren oder korrigieren kann. Realität wird durch Narrative ersetzt, Beziehung durch Nutzung, Sinn durch Kontrolle. Die Frage ist daher nicht, wie Mitwelt besser genutzt werden könnte, sondern ob das Menschliche bereit ist, sich selbst aus dem Zentrum seiner eigenen Konstruktionen zurückzunehmen.

Ohne diese Verschiebung bleibt Hass im Freistil die leiseste und zugleich wirksamste Form menschlicher Gewalt: nicht als Ausbruch, sondern als Ordnung; nicht als Affekt, sondern als Struktur; nicht als Ausnahme, sondern als Normalität.

Statement

Gegen den Hass im Freistil

Dem Hass im Freistil setzen wir keine Gegenwut entgegen, sondern eine andere Art, in der Welt zu sein. Eine, die Beziehung nicht ersetzt, Wirklichkeit nicht simuliert und Mitwelt nicht verrät.

Wir teilen nicht die Vorstellung, dass Welt verfügbar ist. Nicht als Ressource, nicht als Bühne, nicht als Material für menschliche Selbstentwürfe.

Wo Mitwelt instrumentalisiert wird, ist Beziehung bereits zerfallen. Was dort entsteht, ist keine Ordnung, sondern eine dauerhaft erodierende Second Nature:
eine Ersatzwelt aus Narrativen, Besitzansprüchen und Gewaltfähigkeit,
die Realität nur noch simuliert, weil sie ihr nicht mehr standhält.

Dem Hass im Freistil – dieser strukturierten Gleichgültigkeit, die Unrecht nur dann erkennt, wenn es kollektiv benannt wird – setzen wir kein Gegenprogramm entgegen, sondern Entzug, Abweichung, Ferne – Kritik.

Wir verweigern die Reduktion.
Wir verweigern die Anschlussfähigkeit an Vereinfachung.
Wir verweigern die Umdeutung von Beziehung in Nutzung.

Unsere Haltung ist keine Moral, sondern Konsequenz:

Nähe ohne Aneignung. Wahrnehmung ohne Zugriff. Sprache ohne Stellvertretung. Wir sprechen nicht über Mitwelt, wir schreiben aus dem Wissen heraus, dass Wirklichkeit nur dort beginnt, wo sie sich unserer Verfügung entzieht.

Das Menschliche, das verliert, wenn es sich aus dem Zentrum zurücknimmt, ist ein Menschliches, das „Raum“ nicht begreift. Lebensraum.

 

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