Wir wählen eingangs zur einfachen Erklärung unserer Herangehendweisen und Prioritäten einen vielleicht etwas flapsig- und unprofessionell wirkenden Podcast, den wir hier transkribieren:

Tierrechte: Fundamentale und partikularistische Rechte

https://antispe.bandcamp.com/track/fundamentale-und-partikularistische-rechte

Transkription

Ein Freestyle-Talk über Tierrechte (von Gita Marta Yegane Arani). Also ich bin heute nicht besonders konzentriert. Ich bin ziemlich erschöpft. Ich hab heute lange gearbeitet und möchte jetzt einfach freestylemäßig über Tierrechte sprechen.

Und zwar: was versteht man unter Tierrechten? Ähm, für mich ist es natürlich total klar, was ich unter Tierrechten verstehe. Aber was verstehen andere Leute unter Tierrechten?

[Es kommt bei Rechten nicht primär auf partikulare Rechte in ihrer Angewandtheit an]

Ich bin neulich gefragt worden „Ja, Tierrechte, was ist das denn? Versteht man darunter sowas, wie haben Tiere so was wie Menschenrechte?“ Das ist natürlich Quatsch zu sagen, dass es bei Rechten auf irgendwelche partikularen Rechte in ihrer Angewandtheit ankommt, also sprich, wenn ich jetzt irgendwie Rechte in der Fortbewegung habe, im Verkehr, im Straßenverkehr, als Fußgänger, als Fahrradfahrer oder wenn ich eben mein Wahlrecht habe um bestimmte Parteien zu wählen, dann sind es eigentlich in gewisser Weise Rechte, die sich ableiten von gewissen Rechten, die wirklich fundamental sind.

[Partikulare Rechte leiten sich von fundamentalen Rechten ab]

Und wenn wir über fundamentale Rechte sprechen, dann sind eigentlich so partikularistische Rechte erst mal nicht das Wichtigste.

Also, man könnte genauso sagen … die Menschen sprechen ja von Artenschutz und von dem Begriff artgerecht: Ein Begriff, den ich ziemlich problematisch finde, weil er die ökologische Feinheit (das ökologische Finetuning) von Interaktion zwischen Lebewesen einfach nicht umfasst und ein stark von außen her bestimmender Begriff ist. Ich geh jetzt mal erst mal nicht weiter drauf ein, aber wenn wir aber jetzt von Artenschutz reden, könnten wir auch sagen ein partikularistisches Recht wäre, dass bestimmte Tiere ein bestimmtes Recht auf bestimmte Lebensräume haben oder auf eine gewisse Flora haben, auf einem gewissen ökologischen Raum, der irgendwie geschützt sein muss.

[Artenschutz impliziert aus Tierrechtssicht – neben Fragen der Grundrechte – in der Handhabung Fragen partikularistischer Rechte]

Die Frage um die es aber bei Tierrechten im Wesentlichen geht, sind Grundrechte. Also was sind einfach Grundrechte und woraus leiten sich Grundrechte ab?

[Die Frage dessen was Grundrechte sind und worauf sie sich begründen sollten/könnten]

Ähm, und da scheiden sich die Geister, und ich glaube, Sinn der Sache ist auch nicht, dass wir meinen, wir müssten irgendwie alle die gleiche Meinung teilen. Letztendlich teilen wir auch in Bezug auf Menschenrechte leider nicht immer alle die gleiche Meinung.

[Menschenrechte werden vermutlich nicht gemäß ihrer Ideale umgesetzt]

Gut, das ist jetzt ein Analogvergleich. Sollte man vielleicht unterlassen. Lassen wir das meinetwegen mal beiseite. Aber um zurückzukommen: was macht Grundrechte im Bezug auf Tiere aus?

Dazu muss man unabhängig vom Vergleich zum Menschen sehen und in den Raum stellen: die Frage von Freiheitsrechten und Autonomiefähigkeit. Dies sind für mich Punkte in den Tierrechten, die ich immer wieder betone und wo wir uns auch als Gesellschaft kritisch fragen sollten warum sprechen wir Tieren Freiheitsrechte ab?

[Freiheitsrechte und Autonomiefähigkeit]

Warum herrscht die Vorstellung, dass Tiere irgendwie instinktgetrieben wären und nicht eigene komplexe Denkvorgänge haben auf ihre ganz eigene Art und Weise? Also warum leiten wir immer alles vom menschlichen Paradigma ab? Warum meinen wir, alles müsse nach unseren Begriffen irgendwie erklärbar sein, wenn es um die Frage von Rechten anderer geht? Tiere sind faktisch gesehen andere.

[Andere müssen nicht nach unseren Begriffen erklärbar sein, um im Sinne ihrer Rechte erkennbar zu werden]

Jetzt können natürlich auch jemand völlig banal sagen „Nee, das sind nicht andere, das sind halt einfach nur Tiere“. Aber da spielt in der Tierrechtsdiskussion wieder grundsätzlich die Frage der Haltung eine Rolle. Für mich ist eine wichtige Prämisse, dass wir es eigentlich in allen wichtigen ethischen Belangen immer wieder mit Haltungen von Menschen zu tun haben. Und wenn ich die Haltung einnehme, dass ich einfach a priori voraussetze, dass Tiere vernunftbegabt sind auf ihre ganz autonome und eigene Art und Weise, dass ich keine Definitionshoheit über sie besitze, dass sie aber trotzdem Rechte haben, die sich aus ihrer Freiheitsfähigkeit und ihrer Autonomiefähigkeit ableiten lassen, und dass ich die Würde auch darin begründet sehe; indem ich Ihnen dies zuerkenne – ich glaube, wenn wir anderen Wesen grundsätzlich alles aberkennen, was ihre Besonderheit ausmacht, dann können wir diesen anderen Wesen auch keine grundlegende Würde zusprechen. Es ist also auch eine Frage irgendwie von Haltung und Perspektive.

[die affirmative Haltung in der Anerkennung der Rechte und damit einhergehend der Würde anderer, ohne eine menschliche kollektivistische Definitionshoheit zur Untermauerung vorauszusetzen]

Einen sehr schönen Ansatz hat kürzlich die Philosophin Syl Ko beschrieben. Sie hat in einem Begleittext zu einer Ausstellung einer koreanischen Künstlerin vom spezies-subjektivistischen Ansatz gesprochen. Ich habe den Text ins Deutsche übersetzt. Der Text ist auch auf unserer Seite im Englischen veröffentlicht. Beide Texte sind auch erreichbar im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek.

[deutsche Fassung: https://d-nb.info/1234807912/34 ; englische Originalfassung: https://d-nb.info/1234872005/34 ]

Dort haben wir also die Texte auch hinterlegt. Der Text ist nicht so lang, aber der Text hat es wirklich in sich. Das ist wirklich für Leute, die Tierrechte nicht einfach nur verstehen als eine Art verlängertem Tierschutz – die sollten sich wirklich mal auseinandersetzen damit, was Spezies-Subjektivismus beinhaltet. Ich könnte jetzt natürlich die Inhalte beschreiben, es ist jetzt vielleicht auch blöd, wenn ich es nicht mache. Es ist aber meiner Müdigkeit geschuldet und der Text ist, wie schon gesagt, auf dieser Seite einzusehen.

Mich hat der spezies-subjektivistische Ansatz dahingehend inspiriert anzufangen, spezies-subjektivistische Gedichte zu schreiben. Ich finde insgesamt, dass der Raum, der subjektivistische Raum zwischen Menschen und Tieren, überhaupt wenig, noch viel zu wenig gedanklich gefüllt wird von Tierrechtler*innen, in kreativer Art und Weise, dass wir Tiere mit einbeziehen, dass Tiere nicht immer nur die objektiviziert-beschriebenen sind, dass wir auch nicht irgendwie nur in der dritten Person über die Tiere reden, sondern sie auch als ein poetisches Du in den Raum mit einbeziehen. Also dass wir quasi tierinklusiv sprechen.

Klingt jetzt vielleicht ein bisschen schwierig für Leute, die überhaupt sehr wenig mit Tierrechten zu tun haben. Die können das jetzt vielleicht nicht unbedingt im Moment nachvollziehen. Wobei, in dem Zusammenhang will ich doch auch Leute ermutigen, die sich nicht als Tierrechtler*in bezeichnen würden, die aber eine sehr aufmerksame, achtsame, bewusste, fürsorgliche Haltung gegenüber Tieren haben, so dass sie sich ruhig als Tierrechtler*in bezeichnen könnten. Der Begriff ist nicht irgendwie gepachtet von Menschen, die zu gewissen Demonstrationen gehen oder eine bestimmte Literatur lesen.

Tierrechte sind so etwas essentielles wie Menschenrechte. Sie betreffen uns alle. Wir alle stehen in irgendeiner Beziehung zu Tieren. Die kann positiv und negativ, konstruktiv und destruktiv sein, mehr oder weniger, und es ist definitiv an der Zeit Tierrechte nicht als Sonderthema zu sehen, sondern sie gehen jede*n etwas an.

Ich habe viele Freund*innen die sich nicht trauen sich als Tierrechtler*in zu bezeichnen, weil sie sich eben nicht in irgendwelchen einschlägigen Kreisen und Szenen bewegen, die aber definitiv Tierrechtler*innen sind, und es ist schon traurig wie dann solche gesellschaftlichen Diskurse nicht so emanzipativ sind, dass sie wirklich alle mitnehmen, die eigentlich teil an so einer Bewegung haben … .

Bei Tierrechten geht es ja letztendlich wirklich darum: wie beziehe ich mich auf die Tiere in meiner Umwelt und die Tiere im politischen Raum insgesamt. Und es gibt viele Möglichkeiten sich in seinem Verhalten und seinen Äußerungen diesbezüglich zu artikulieren und einzubringen.

Ich finde wir sollten ruhig wahrnehmen, dass wir eine sehr große Bewegung sind. Aber eben definitiv eine sehr, sehr plurale Bewegung, weil … warum ich das ganze hier sage, ist eigentlich, um nochmal deutlich zu machen: Tierrechte sind nicht irgendwie was total vereinfachbar verstehbares, sondern Tierrechte sind was völlig komplexes – und so viele Köpfe wie es gibt, so viele Gedanken und Meinungen gibt es dazu. Wir müssen den Raum füllen, wir müssen den Diskurs führen mit den vielen, vielen Gedanken, die wir alle dazu haben und die sich nicht immer unbedingt gleichen müssen. Man sollte da auch keine Scheu haben.

Ja okay, das war jetzt einfach mal Freestyle. Ich bin jetzt zwar selbst nicht so begeistert von dem was ich gerade gesprochen habe und wie ich gesprochen habe, aber dafür ist das eben freestyle. Okay das war‘s … .

(04.06.2022)