Vom guten Menschen
Nur auf Grundlage der radikalen Vorstellung von „gut“ und „schlecht“, von „besser“ und „schlechter“, lässt sich ‚Ordnung‘ in die Systeme, die Techniken und die fein-nuancierten Winkelzügen der Negationen von nichtmenschlichen Tieren/Nichtmenschen und den nichtmenschlichen Räumen durch das vermeintlich „Menschliche“ schaffen.
Alle weiteren Ableitungen zur Begründung menschlichen Handelns bedürfen ursächlich nur der grundlegenden Wertungen in „gut“ und „schlecht“ zur ausreichenden ethischen Rechtfertigung eigenen Handelns …
Ein Essay von Palang LY
Die Vorstellung, dass Menschen als Menschen gut sein müssen, wegen ihrer Mitmenschlichkeit, weil sie ein Netz humaner Kontextualität in Bewusstsein und Praxis aufgebaut haben – all die Errungenschaften des Menschen im Dienste und im (primären) Interesse des Menschen, lassen keinen Zweifel daran aufkommen, dass die Denkweise des Menschen über sein Environment eine vernünftige Denkweise sein muss. Der Mensch kann überhaupt nur dann ‚böse‘ sein, wenn er in den alten Zustand des ‚Tieres‘ verfällt, so behauptet man. Alles brutale sei auf ‚tierische Triebhaftigkeit‘ zurückzuführen – auf ein Fehlen eines spezifisch menschlichen Reifegrades.
Die Form der abwertenden Abgrenzung gegenüber Tieren, legt eine Beurteilung nichtmenschlicher Tiere unter bestimmten Kriterien fest. Tiere werden nicht mit einem ‚ihnen eigenwertigen Maßstab‘ gemessen, was vielleicht aber auch keinen Sinn machen würde, denn das Messen setzt immer einen Vergleich mit einer ‚Norm‘ voraus. Und wozu brauchte es eine Norm, wenn man die Tiere mit sich selbst bemessen würde?
Der Maßstab aber, mit dem Tiere gemessen und verglichen werden, ist der Maßstab, den Menschen zum Ermessen von ‚Bedeutung‘/‚Sinnhaftigkeit‘ (usw.) und ‚Wert‘ nichtmenschlicher Tiere entworfen haben. Wie intelligent ist das Tier nach unserem Verständnis, kann es dies, macht es das, warum macht es das. Und auf all das haben wir bereits im Vorhinein eine Antwort parat, die nurnoch fallgerecht ausgekleidet werden muss, nach biologischem Muster (es können natürlich auch andere Muster verwendet werden, aber heute und hier ist es zumeist dieser „Elefant im Raum“ tierlicher Objektifizierung).
Endzweck und letztendlicher Sinn aller Existenz auf der Welt sind, nach der Meinung des Menschen (ich fasse „uns“ in Hinsicht auf den Gut/Böse-Dualismus jetzt mal als dieses Kollektiv zusammen), bestimmte menschliche Eigenschaften und Fähigkeiten, die menschliche Vernunft und der menschliche Wille, die menschliche Fähigkeit zu Herrschen und über Leben zu bestimmen.
Alles auf dieser Welt darf den menschlichen Erkenntnissen und Wünschen untergeordnet werden. Letztendliche Legitimation ist die Fähigkeit, Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit mittels Gewalt zu schaffen: Es gibt im menschlichen Bereich keinen Belang, der nicht durch Gewalt in seinem ‚Wert‘ festgelegt sein darf; alles hat einen Wert oder einen Nicht-Wert, alles darf, zusammenhängend mit den erteilten Werten oder Nicht-Werten, behandelt werden. Der menschliche Bereich lässt keine neutrale Zone zu.
Die gewaltsame Abgrenzung gegenüber dem Andersartigen/Verschiedenartigen, in jeweils all den ganz verschiedenen Fällen (dem Fall der Diskriminierung nichtmenschlicher Tiere, der Zerstörung und Entwertung des naturhaften Raumes, etc.) scheint ganz simpel:
Der Mensch kann nach außen nur auf das reagieren, was möglich ist: er kann Tiere und Pflanzen nicht in jeweils entsprechender Form respektieren, weil, der Mensch hat eingesehen, dass Tiere zum Beispiel, ja reine Instinktwesen sind, dass die Frage des Respekts vor ihnen eigentlich gar keine Rolle spielen kann; so etwa der emotionale Standpunkt vieler.
Die Beurteilung des Menschen über sich selbst (so wie sie ist), zieht automatisch eine schattenhafte Beurteilung über den Rest des Universums/der ‚Mitwelt‘ mit sich.
Das Gute des Menschen ist kein Gutes, das nur für sich schon gut wäre; das Gute des Menschen ist gut, weil der Mensch behauptet, dass das Tierliche dem Menschlichen gegenüberzustellen sei, als das Schlechte oder das Bösartige, als das negative oder minderwertige Gegenüber anhand dessen sich das Gute des Menschen postulieren will. Man kann auch eine Vorstellung über das Gute haben, in der das Gute an sich gut ist, unabhängig von irgendeinem vermeintlich Bösen oder Schlechten oder Minderwertigem … .
Nun werfen sich in Hinsicht auf den „guten Menschen“ zwei elementare Probleme auf. Und zwar, auf der einen Seite ist da die Einbindung in die Vorstellung, dass der Mensch nach dem Guten an sich streben würde – ohne jegliche konkrete Hinterfragung im Zusammenhang mit der Umwelt/nichtmenschliche Mitwelt des Menschen – so eine starke Einbindung, die sich aus dem Kontext des menschlich Sozialen ergibt, dass es für einen einzelnen Menschen fast unmöglich ist, diese Vorstellung aufzugeben, ohne dabei den gesellschaftlichen Halt und die Einbindung zu verlieren. Wer nicht mehr an das gute Streben der Menschheit glaubt, d.h. wer sieht, dass sich der Mensch ungerecht und grausam gegenüber seiner nichtmenschlichen Umwelt/Mitwelt verhält, der ist im Kreise des menschlich Guten nicht wirklich willkommen. So ein Mensch findet keine Korrespondenz und keine konstruktive Kommunikationsmöglichkeit mehr in gegenwärtigen gesellschaftlichen Räumen.
Und auf der anderen Seite steht da, was den „guten Menschen“ anbetrifft, der „gute Mensch“ selber, der sagen wird, dass es total gleichgültig ist wie sich ein Mensch gegenüber seiner anderen natürlichen Umwelt/Mitwelt verhält, weil was sollte die ungünstige Konsequenz für den Menschen sein, die sich aus so einem Verhalten ergeben würde (als Feststellung und Frage)!? Der Mensch ist Selbstzweck an sich selbst; alles auf Erden soll seinem Glanz und seiner Würde dienen, und diese seine Würde ergibt sich genau aus diesem weltlichen Allmachtsanspruch heraus. Wenn der gute Mensch die geschundenen Leichen irgendwelcher geschlachteten Tiere isst, wer sollte ihn dafür tadeln? Ist er nicht selbst der Maßstab dafür was gut und was schlecht und böse ist?
Die Deformierung seines eigenen Charakters ist kein Grund zur Beunruhigung, denn alle guten Menschen haben diese gleiche Deformierung, und diese Deformierung erhält ganz einfach die Stempel: gut, vernünftig, tugendhaft, schlau, rational, realistisch, klug, nachhaltig, traditionsbewusst, usw. usf.!
Die Frage ist aber trotzdem, wie die Welt dieser guten Menschen es schaffen wird, die externe Wahrheit des nichtmenschlichen Environments und derer eigenen Bedeutung als ethisch irrelevant auf Dauer abzutun.
Was ist dieses Gute an das der Mensch im anderen Menschen und in sich glaubt? Sind es Dinge, die sich an die grundlegenden Notwendigkeiten des Lebens binden? Wenn dein Mitmensch wichtig für dich sein kann um zu überleben, um zu leben, setzt dich das dem Zwang aus, dasjenige Andere, das dir keine Dankbarkeiten entlocken kann, zu verachten? Gehört es einfach zum menschlichen Kontrakt, alles außenstehende, dessen Eigenbedeutung für den Menschen bloß eine Sekundärbedeutung habe, herabzusetzen und zu objektifizieren?
Das Gute am Menschen besteht aus vielen Eigenschaften, die konkret betrachtet nicht ‚dasjenige Gute‘ sein müssen, was sich an ‚universal‘ als gültig betrachtbare sinnvolle Eigenschaften bindet: Es kann sein, dass das, was einem Gutes bedeutet, generell unter den Menschen aber nicht als gut betrachtet wird und anders herum. Das Gute im Menschen ist, so wie es sich derzeit gestaltet, das Schlechte für das Environment, und es ist daher legitim, den Menschen vom „Außen“ her betrachtet als schlecht zu bezeichnen. Das Gute im Menschen ist – was das außerhalb des menschlichen Bereichs Liegende anbetrifft – immer der Freibrief für Zerstörung und Tötung gewesen. Zumindest dasjenige Gute, über das mehrheitlich kollektive Einigung herrschte … .
„Das Gute im Menschen“ hätte (wenn man solche Phrasen der Verallgemeinerung überhaupt braucht) meiner Meinung nach dann als Gedanke einen Sinn, wenn
1.) „das Gute“ sich anhand seiner Bezüglichkeit spezifizieren würde, d.h. wie sieht das konkret mit dem Guten aus, im Bezug auf all das, was nicht dem menschlich kollektiven Selbstzweck (als einem Humanzentrismus, den man kaum von seiner Geschichte der Abwertung anderer getrennt betrachten könnte) dient, und
2.) wenn „der Mensch“ als verallgemeinerte Form nicht die Hauptfigur einer Form der ‚Ideologie‘ wäre, die immer nur eben diesen Menschen (als biologisch gemarkerte Spezies) als Endzweck über alle verschiedenartige Individualität und Subjektivität (und deren Wert und Sinn) hinwegsetzen würde.
Palang LY, 2008 (Paddling of the Ducks Educational Press / Edition Farangis). Rev. 10.06.2022.