Tierobjektifizierung / Speziesismus und seine Spezifika (1)

E-Reader: Gruppe Messel 2022 / 6, Jahrgang 4, Nr. 6, Juli 2022, ISSN 2700-6905, Edition Farangis; https://farangis.de/reader/e-reader_gruppe_messel_2022_6.pdf ; https://d-nb.info/1263555683/34

Tierobjektifizierung / Speziesismus und seine Spezifika:

  • Pastoralismus
  • Tierobjektifizierender Biologismus
  • Formen des Tierhasses und verschiedener tierobjektifizierender Spezifika (1)

Bilder: Farangis G. Yegane, Texte: Gita Marta Yegane Arani

Pastoralismus als Augangslage für Ziviliationsvorstellungen

Prämisse Tierobjektifizierer:in

Die pastorale Landwirtschaft, der klassische kleine Bauernhof, u.ä. waren mit der Wegbereiter zur Einstellung: Man könne Tiere nicht nur mental und physisch so weit herabsetzten, dass man behaupten kann diese Tiere töten zu können, im Sinne von ‚dürfen‘. Nein, man konnte daraus eine ganze Weltgeschichte in die Vergangenheit und in die Zukunft reichend über Mensch und Tier gestalten.

Die weiteren Schikanen und effektiven Foltermethoden, die man im Zuge industrialisierter Tierhaltungsvarianten als Praktiken eingeführt hat und an denen immer weiter gearbeitet wird, bauen alle auf dieser einen gleichen Prämisse auf. Wir legen hier unsere Geschichte, und wir legen hier die Geschichte der Tierheit fest. Wir praktizieren das, was wir wünschen.

Die modernen kleinen und großen Hochleistungsfolterbetriebe vor allem als Problem ihrer sekundären Auswirkungen auf die Ökologie hin zu kritisieren, heißt das ethische Kernproblem unangetastet zu lassen. Und so kommt es auch dazu, dass die Koppelung von Tiermord mit kultureller menschlicher Wertvorstellung weiter unangetastet bleibt.

Die Grundhaltung zu Deinem Gegenüber als ermordbar und als verzehrbare Tierleiche, als verwertbar, ist die ungerechte Prämisse des speziesistischen / tierobjektifizierenden Menschseins.

Biologismus statt autonomen tierlichen Subjektseins

In dieser verbalen Anklage sind nicht allein diejenigen Auffassungen Angriffspunkt, die die Bedeutsamkeit von Tiersein und Tierlichkeit in Bedingung zur Bedeutsamkeit für Menschen stellen, sondern es wird auch die Sichtweise kritisiert, die zusätzlich zu dieser Form der Sekundarisierung, Tierlichkeit in seiner Subjektivität unentwegt an biologische Erklärungsmuster binden. Wir schätzen mal, dass die ‚Gruppen‘ von Menschen, die unter diese Kategorien in ihren Einstellungen fallen würden, sich ungefähr deckungsgleich passiv im Umgang mit den Implikationen ihres Denkens und Handelns, als „Unwissende“ unkritisierbar halten wollen.

Das „Nicht- und Niemalsverstehen“ oder schlichtweg die hartnäckigste Ausdrucksweise von Tierobjektivierung?

SPRACHE, KOMMUNIKATION, Tier-Soziologie und Tier-Objektivierung

Bitte lesen Sie dies als Hassrede, denn es ist eine!

Manche Menschen oder viele, oder die meisten Menschen, sind einfach nicht bereit, entweder

  • den Biologismus

oder aber

  • eine Sprache voller Umwege, über die möglichen inter-sozialen Perspektiven und gelebten Erfahrungen in Bezug auf Nichtmenschen und derer Problematik, aufzugeben.

Das Subjekt als ‚soziale Einheit‘ überwindet die Kategorie der Spezies!

> Multiperspektivität > Yarbrough > wie ist der Begriff von Art/Spezies entstanden …

„Rasse und Spezies sind willkürliche Unterscheidungen die ungefähr in der gleichen Zeit im europäischen Denken entstanden. Beide sind geleitet von phänotypischen Unterscheidungen aber tragen das Gewicht und die Legitimität, als seien sie biologisch verwurzelt, und biologisch wird oft gleichgesetzt mit etwas ‚Fixiertem‘. In der Biologie wird die biologische Speziesdefinition oft als die ultimative Speziesdefinition begriffen. Wenn Gruppen erwiesenermaßen aus Individuen bestehen, die reproduktionstaugliche Nachkommen erzeugen können, dann sind sie eine echte Spezies. Im Freien oder in den Laboratorien ist diese primäre Definition meistens schwer zu testen, so werden noch andere Definitionen als akzeptabler Ersatz verstanden, die auf den morphologischen und phylogenetischen Unterschieden zwischen Gruppen basieren. Doch was die morphologischen und phylogenetischen Speziesdefinitionen tun, ist, dass sie die Kennzeichnungen von Spezies so willkürlich machen, wie das auch in der Rassentheorie handhabe ist. Für beide geht es im Wesentlichen hierum, dass: wenn du ein bisschen anders aussiehst, Dinge ein wenig anders tust, genetisch etwas variierst und sogar auch noch in einer anderer Region, als dem Ort der Vergleichsbasis lebst, dann reicht das dazu, deine Gruppe als eine eigene Spezies zu kennzeichnen (und historisch wurde ‚Rasse‘ und ‚Spezies‘ in austauschbarer Weise eingesetzt), bis ein anderer ‚Experte‘ vorbeikommt und etwas anderes behauptet.“ YARBROUGH, Anastasia, E-Reader: Gruppe Messel, Jahrgang 2, Nr. 4, 2020, https://d-nb.info/1215819366/34

Nochmal, gleich wie man es dreht und wendet:

Das Subjekt als ‚soziale Einheit‘ überwindet die Kategorie der Spezies; ich bezeichne also die (direkte und indirekte, kontextualisierte) Begegnung als inter-sozial und spreche von inter-sozialen Kontexten zwischen ‚sozialen Einheiten‘ (als ‚social units‘).

Als „Subjekte“ treten wir in eine Form des ‚sozialen‘ Austauschs und der Begegnung. Wohlgemerkt: Das Setting der Begegnung und damit der Kontextualisierung, kann entweder in Zusammenhängen betrachtet werden, die einen menschlich-hegemonialen Anspruch erheben, oder sich aber anders gestalten … indem ein offener Raum bestehen bleibt.

Der Begriff der Art oder Spezies ist ein Biologismus. Und ja: Leben ist offensichtlich vielfältig.

Wir tun so, als ob die einzige Form der Objektivierung und der Definition von Körpern und Leben, die kategorisch niemals irgendeinen Biologismus implizieren kann, der Moment ist, indem wir beginnen über Nicht-Menschen und nicht-menschliche natürliche Entitäten zu sprechen und in Bezug auf sie zu handeln. Wir stimmen immerhin darin überein, viele nichtmenschliche Lebewesen als „lebende Entitäten/Organismen“ zu verstehen.

Das Kind wird aber gleich wieder mit dem Bade ausgeschüttet, wenn es um nötige Differenzierungen geht. Dass wir nicht jeden Schaden vermeiden können, und dass wir weit von einer gesetzgeberischen Logik entfernt sind, die tierliche Subjekte und Erdrechte (und damit Verbundenes) mit einbeschließt, heißt nicht, dass wir einfach die alte Linie irgendeiner Vorstellung von menschlicher Hegemonialität und nichtmenschlicher Verfügbarkeit weiterhin ziehen können, ohne uns der einhergehenden ethischen Grundsatzdilemmas bewusst werden zu müssen.

Biologismus:

„Biologie und Ethologie sind irgendwie zu den Wissenschaften über die Tierheit (animalkind) geworden. Es ist von diesen Wissenschaften woher die Sozialwissenschaftler (die Wissenschaften über die Menschheit) ihr eigenes Bild von Tieren und Tiersein unkritisch und zum größten Teil unbeabsichtigt beziehen. Tiere sind an biologische und genetische Erklärungen gebunden worden.“ NOSKE, Barbara, Die Tierfrage in der Anthropologie: Ein Kommentar, Tierautonomie 1 (3) (2016), https://d-nb.info/1210906910/34

Eine Rhetorik der Gerechtigkeit

Versuchen Sie einmal über Tierfragen zu sprechen, ohne die konkreten einzelnen betroffenen tierlichen Subjekte oder -gruppen oder -kulturen zu biologisieren … , ohne sie zu metaphorisieren, ohne sie zu sekundarisieren und ohne den Gebrauch entwürdigender Rahmenwerke menschlicher Definitions- oder Beschreibungshoheit über einen Bereich, außerhalb ihrer hilfreichen und gleichzeitig schädlichen kämpferischen innergesellschaftlichen Interessen.

Die Art und Weise, wie wir unser Sprechen über Tierfragen und über tierliche Subjekte/Individuen/Gruppen/Kulturen/Kontexte … gestaltet haben, hat unser eigenes Bild von ihnen erst geschaffen und dann in fortschreitender Weise geprägt. Was in dieser Gesellschaft leider einen ziemlich einschränkenden Faktor darstellt.

Solange wir nicht lernen anders zu sprechen, anders kritisch zu konzeptualisieren, indem wir die Dinge in Relationen setzen, werden wir – im Grunde nur als Angehörige der Spezies „Mensch“ – nicht in der Lage sein, zu einem vollen Mitglied dieses Ortes heranzuwachsen, an dem wir qua Leben leben dürfen.

Wir sind nicht automatisch dazu verpflichtet, derart konformistisch zu sein. Wir müssen nicht an einer exklusiven „menschlichen“ Kollektivität und einer exklusiven Idee von erzwungener Ähnlichkeit in unseren Ansichten und Auffassungen festhalten …, und das ist der Grund, warum wir hier wütend sind und warum wir hier Menschen dafür kritisieren, dass sie unaufhörlich inkohärent in ihren Zielen sind, indem sie ihre Haltungen im Bezug auf tierliche Unterdrückung zwar überprüfen, aber dann immernoch mit solch einem extrem dürftigen Weltbild herumlaufen.

Bausteine einer Liste über Formen des Tierhasses und verschiedener tierobjektifizierender Spezifika

  1. („Sanfte“ ästhetisierte (systemische und individuelle) Herabsetzung) Pastorale Tierobjektifizierung

‚Domestizierung‘ – der Akt der „Haltens“ von Tieren, um jegliches Recht über sie zu erlangen, indem das Tier-Andere definiert, okkupiert, getötet, zubereitet, einverleibt, verarbeitet … werden kann.

  1. Tierobjektifizierung und Patriarchat

Ein System physischer und psychologischer Dominanz, das auf einem Biologismus basiert. „Erst der Mensch” – alles andere ist untergeordnet – das Niedrigste, ist jenes „Objekt“, welches man zu solchem erklärt.

  1. Gender und Tierobjektifizierung

Eine Kultur nimmt in Rollen verschiedener Genderidentitäten (als untrennbar miteinander Verbundene) Tierobjektifizierung als praktikable Normalität an. Sie verfügt über einen internalisierten ‚Mechanismus‘, der seine Teilhabenden als Akteure einer prätentiösen Aufführung des „Menschseins“ heraufbefördert, die sich wie zwei Klammern um die Würde, die jeder Spezies und jedem „Gender/Menschsein“ tatsächlich zu eigen ist, legt.

  1. Tierobjektifizierung, Kollektivismus und Individualismus

Beide, sowohl ein menschliches Kollektiv, als auch ein menschliches Individuum, können die soziologisch tierobjektifizierend ausgerichteten Identitäten ihres Menschseins als vermeintlich bestärkt erleben, indem sie das Tier-Andere in den toten Winkel ihrer subjektiven Erfahrungen relegieren.

  1. Religiöse Tierobjektifizierung

Geht davon aus, dass menschliche Spiritualität eine Basis dafür bildet, tierliche Verschiedenartigkeit, Pluralität und Multiplizität zu entwerten.

  1. Tierobjektifizierung und Spektakel

Die Zurschaustellung einer tierobjektifizierenden Handlung in der verletzt oder getötet wird, um Betrachter zu desensibilisieren – als Lektion ‚menschlicher Macht‘.

  1. Die tierobjektifizierende Ideologie der Jagd

Die Herrschaft und Dominanz über „die Wildnis“ postulierend, durch völlige Lebensraumkontrolle; das erste Erscheinen des Erklärens von Nichtmenschen zu menschlicher Nahrung – als eine angenommene relative Gleichheit mit Raubtieren.

  1. Tierobjektifizierender Narzissmus

Eine Frage der Identitäten (Mensch vs. Tier), bei der ein Mensch seine faktische Individualität (im Schutze menschlicher Kollektivität) verbirgt, hinter psychologischer und physischer Destruktivität gegenüber der antagonisierten nichtmenschlich-tierlichen Würde.

  1. Tierobjektifizierung und Logik

Wenn Unrecht als „sinnvoll“ definiert wird, mittels einer begrenzten Objektivität – die Leben der Willkür von „Relevanz“, „Nützlichkeit“, „Rationalität“ und Kalkulation unterwirft.

  1. Naturwissenschaft und Tierobjektifizierung

Eine abstrakte Perspektive auf die Welt, von einem menschlichen Blickpunkt, der „das Denken“ und „die Fähigkeit Freiheit zu erleben“, in bestimmten Körperteilen und deren Funktion (als komplex oder primitiv) lokalisiert; ein Standpunkt, der vom basso continuo sinnvoller evolutionärer „natürlicher Selektion“ – des Überlebens der Geeignetsten, begleitet wird.